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Wilder Oleander

Wilder Oleander

Titel: Wilder Oleander
Autoren: Kathryn Harvey
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Ed war ein rücksichtsvoller Liebhaber, jeweils Samstagabend, nach dem Essen im Country Club, und danach blieb er sogar noch ein Weilchen wach. Das Ganze war zwar nicht unbedingt ein Feuerwerk, aber Sissy glaubte nicht, dass Frauen derlei Höhenflüge zustanden.
    Sie fing an, Fotos und abgerissene Theaterkarten sowie die verschiedensten Schnipselchen, alles Erinnerungen an Glücksmomente, zu sortieren und überlegte, ob sie bei der Zusammenstellung des Albums chronologisch vorgehen sollte oder nach Themen geordnet.
    Sie kräuselte die Stirn. Wo war der Kleber? Sie wühlte in den Klebestreifen, Hafties und Fotoecken herum, ohne fündig zu werden. Möglich, dass sie den Klebestift in der Eile woandershin gesteckt hatte. Sie sah in den Schachteln nach, in den wattierten Umschlägen. Kein Kleber. Dann fiel ihr etwas in die Hand, was ihr fremd vorkam und was in der Eile aus dem
obersten Fach im Kleiderschrank mit ins Gepäck gelangt sein musste: eine mit einem schwarzen Gummiband zusammengehaltene Dokumentenmappe. Sie erinnerte sich nicht, sie jemals gesehen zu haben; sie musste völlig unbemerkt seit Urzeiten in der hintersten Ecke geschlummert haben. Wenn Fotos darin waren, dürften sie vor langer Zeit aufgenommen worden sein.
    Sie streifte das Gummiband ab und klappte die Mappe auf. Die Falten auf ihrer Stirn vertieften sich, als sie aus einem der Fächer Bankauszüge und Kreditkartenabrechnungen herauszog. Von wem? Ed war ein äußerst gewissenhafter Buchhalter und verwahrte alle Unterlagen in sorgfältig geführten Ordnern in einem metallenen Aktenschrank. Vielleicht stammten diese Belege hier noch von den Leuten, denen sie vor sechs Jahren das Haus abgekauft hatten. Merkwürdigerweise wiesen jedoch die Datumsangaben auf den Abrechnungen darauf hin, dass sie erst in jüngster Zeit erstellt worden und dass sie allesamt an Ed adressiert waren.
    Was um alles in der Welt hatte denn das zu bedeuten?
    Sie sah sich die Abbuchungen näher an. Auf keine konnte sie sich einen Reim machen – Juweliergeschäfte waren da aufgelistet, Blumenläden, teure Restaurants, sogar Hotelkosten. Das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen! Bestimmt hatte jemand Ed die Kreditkarte gestohlen und bediente sich seines Namens – und seines Kontos. Und ihr Mann lag wahrscheinlich genau in diesem Augenblick mit der Kreditkartenfirma deswegen im Clinch und hatte Sissy nur nichts davon erzählt, um sie nicht zu beunruhigen.
    Sie blinzelte in die Sonnenstrahlen, die durch die zarten Vorhänge drangen, sah goldene Staubfädchen im Licht tanzen. Und hatte mit einem Mal ein mulmiges Gefühl.
    Sie rief Ed ungern im Büro an, aber dies hier verlangte umgehend eine Erklärung. »Tut mir Leid, Mrs.Whitboro«, sagte
seine Sekretärin. »Er ist momentan mit einem Zulieferer unterwegs.«
    »Würden Sie ihm ausrichten, er möchte mich anrufen?« Sie gab der Sekretärin die Nummer durch.
    In einem Fach der Dokumentenmappe steckten zusammengeheftete Telefonrechnungen. Die Nummer, auf die sie sich bezogen, war Sissy unbekannt, sah aber aus wie die von einem Mobilfunkbetreiber. Besaß Ed ein zweites Handy, von dem sie nichts wusste? Sie stellte fest, dass eine bestimmte Nummer immer wieder auftauchte. Aus purer Neugier wählte sie sie an.
    Eine dunkle, kehlige Stimme meldete sich. »Hallo. Ich bin Tiffany. Was kann ich für dich tun?«
    Tiffany?
»Ist Ed da?«
    »Wenn du meinst, Schätzchen. Was möchtest du denn, dass Ed und ich machen?«
    »Mir wär’s lieber, wenn Sie gar nichts machten!«, kam es erstaunt von Sissy.
    »Okay, Schätzchen. Hab schon verstanden. Du möchtest, dass Ed zuschaut, wenn du und ich uns anturnen? Erzähl mir, was du anhast. Beschreibe mir deine Brüste … «
    »Ich suche meinen Mann! Ich habe Ihre Nummer gefunden. Er hat Sie angerufen.«
    Kurze Pause, dann: »Du meine Güte. Eine
Ehefrau
!« Alles Betörende in der Stimme war verklungen.
    »Wo ist Ed?«
    »Ehrlich, Schätzchen, ich weiß nicht, wo Ed ist, aber trotzdem kommen Sie nicht drum rum, für diesen Anruf zu bezahlen.«
    Die Verbindung wurde gekappt. Völlig benommen saß Sissy da.
    Dann suchte sie sich eine weitere Nummer aus der Telefonrechnung, wählte und hörte eine Bandaufnahme: »Hallo. Ich
bin Bambi«, einschmeichelnd gehaucht, »und ich bin im Augenblick nicht zu Hause. Ich bin einkaufen, Reizwäsche, die Höschen ohne Zwickel, auf die du doch so stehst. Ich möchte unbedingt mit dir reden, ich bin für dich da und ich bin scharf und zu allem bereit. Also
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