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Wilde Flucht

Wilde Flucht

Titel: Wilde Flucht
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barsche Stimme noch fragen, ehe Stewie den Hörer auf die Gabel knallte.
    Als Joe den Hörer wieder abnehmen wollte, hielt Stewie ihm etwas so nah vor Augen, dass er nicht erkennen konnte, um was es sich handelte.
    Der Stoß aus seiner eigenen Pfefferspraydose traf Joe voll ins Gesicht und in die Augen, und er ging zu Boden, als seien ihm die Beine weggetreten worden.
    » Tut mir leid, Kumpel«, hörte er von oben. Joe schlug unkoordiniert mit Armen und Beinen um sich, und seine Lunge brannte. Er wollte etwas sagen, brachte aber nur heiseres Blöken hervor, das er nicht als seine Stimme erkannte. In seinen Ohren dröhnte eine Flugzeugturbine. Sein Kopf loderte, und seine Augen fühlten sich an, als würden sie mit einer Lötlampe ausgebrannt. Er war buchstäblich gelähmt, und unerträglich schmerzende Muskelkrämpfe jagten ihm durch den Leib. Hustend und nach Atem ringend merkte er, wie er über den Boden geschleift wurde. Seine Hände waren zusammengebunden. Durchs Heulen der Turbine hindurch hörte er, wie das Telefon aus der Wand gerissen wurde, und er spürte, wie er das Kabel um die Handgelenke geschlungen und die Arme fest verschnürt bekam. Dann hörte er, wie sein Holster geöffnet wurde.

37
    Ehe Joe Pickett sich von dem Pfefferspray so weit erholt hatte, um aufstehen zu können, waren zwanzig Minuten vergangen. Augen und Kehle brannten ihm noch immer, und er hatte das Gefühl, ein Großteil seiner Körperflüssigkeit sei ihm in bitteren Rinnsalen aus Nase, Mund und Augen geflossen. Er lehnte sich neben dem Telefon, dessen Kabel Stewie vor seinem Verschwinden aus dem Apparat gerissen hatte, an die Flurwand und versuchte, den Nebel im Kopf abzuschütteln.
    Langsam gewann er die Kontrolle über seine Beine zurück und stapfte schwankend wie Frankensteins Monster den Korridor entlang. Er schob mit der linken Schulter um des Gleichgewichts willen am Putz entlang, bis er die Tür zur Treppe erreicht hatte. Sehr vorsichtig stieg er die Stufen hinunter und hielt sich dabei mit beiden Händen am Geländer fest. Das Gebäude war leer; der schwarze Ford stand noch immer mit geöffneten Türen und offener Werkzeugkiste da.
    Joe stemmte das Rolltor mit den Schultern weiter auf, trat hinaus, atmete die frische Luft keuchend ein und blinzelte die Tränen weg, die das noch immer brennende Spray ihm in die Augen trieb. Dann wandte er sich dem Ranchhaus zu, wohin Stewie Woods vermutlich gegangen war.
    Das Tor zum Vorgarten stand offen – genau wie die massive Haustür. Joe trat ein, blieb stehen und versuchte, im Dunkeln etwas zu erkennen. Auf dem Boden wand sich Buster, der Rancharbeiter, mit vors Gesicht geschlagenen Händen wimmernd von einer Seite zur anderen. Pfefferspray, dachte Joe – wahrscheinlich hat Stewie ihm beim Reinkommen eine Ladung verpasst; und dann noch mal vor fünf Minuten, dem Geruch nach zu urteilen, der in der Luft hängt.
    » Wäre ich eine Schlange, hätte ich Sie beißen können.« Ihre Stimme ließ Joe zusammenfahren wie beim ersten Mal. Sie saß in ihrem Rollstuhl, dessen Rückenlehne gegen die Wand drückte. Ihr Gesicht war zur Seite gedreht, ihr Kopf drängte sich ihm entgegen, und ihre Miene war so verzerrt, als wollte sie ihn angreifen.
    » Ist hier ein seltsam aussehender Mann aufgetaucht?«, fragte Joe mit noch immer sehr belegter Stimme.
    Ginger Finotta hob einen dünnen Arm und wies mit gekrümmtem Zeigefinger an Joe vorbei.
    » Sie sind zusammen rausgegangen«, sagte sie schrill. » Tom Horn ist in unserer Schlafbaracke!«
    Joe hielt inne. Tom Horn?
    » Sie meinen Charlie Tibbs.«
    » Er ist in unserer Schlafbaracke!«, wiederholte sie. » Jemand hat ihn erschossen!«
    Joe wollte sie genauer ansehen, doch ihr Gesicht verschwamm ihm vor Augen. » Das war ich«, brachte er mühsam hervor. » Ich hab ihn erschossen.«
    Er hätte ihre Miene gern gesehen, um ihre Reaktion einschätzen zu können. Doch er hörte sie.
    » Bravo, junger Mann«, rief sie heiser. » Einen wie Tom Horn zu hängen – das wäre schade um das gute Seil gewesen.«
    Als Joe wieder vor der Ranch stand, hörte er aus der Ferne einen Schrei. » He, Joe!« Das war Stewie. Joe wandte sich der Stimme zu. Sie kam von jenseits der Koppeln, über die Häupter der vielen Rinder hinweg. » Schön, dass Sie wieder auf den Beinen sind, Mann!«
    Joe ging in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Er konnte noch immer nur verschwommen sehen. Das Kabel schnitt in seine Handgelenke, doch er wollte keine Zeit damit verlieren,
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