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Wild und frei

Wild und frei

Titel: Wild und frei
Autoren: Elizabeth Lane
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Gelegenheit zur Flucht böte. Aber das hatte er schnell aufgegeben. Dieser Ort war ein Gewirr aus Fluren und Kammern, so verwirrend wie das Innere eines Termitenbaus. Wenn ihm solch ein Wigwam gehörte, musste der alte Mann, der ihn vom Schiff geholt hatte, sicherlich der Häuptling des gesamten weißen Stammes sein.
    Einer der Räume, durch den er gekommen war, schien ausschließlich zum Kochen benutzt zu werden. Die Feuerstelle war wie eine Höhle in die Wand eingebaut, und über dem prasselnden Feuer hing der Kadaver eines großen Tieres an einem Bratspieß aus Metall. Auf langen Tischen lagen braune Brotlaibe. Black Otter hatte noch niemals so viel Nahrung auf einmal gesehen. Als er diese köstlichen Düfte einatmete, verkrampfte sich sein Magen vor Hunger, aber niemand bot ihm etwas zu essen oder einen Schluck Wasser an. Man schleppte ihn von einem riesigen Raum zum nächsten und schließlich einen langen, engen Gang hinunter, der in einem dunklen Loch endete.
    Hier stieß ein dritter Mann, von dicklicher Gestalt und blasser Gesichtsfarbe, zu ihnen. Er trug eine Fackel aus zusammengedrehtem und in Pech getauchtem Riedgras. Der stinkende Rauch brannte Black Otter in Augen und Nase, als man ihn zwang, nach unten zu gehen, in den schwarzen Raum, der sich vor ihm öffnete. Mit seinen Mokassins stolperte er auf den rauen Steinstufen.
    Angst umklammerte sein Herz, als die feuchtkalte Luft, die nach Schimmel roch, seine Lungen füllte. Es war kalt und klamm hier unter der Erde. Und ohne die Fackel würde es dunkler sein als im Bauch des großen Schiffes. Selbst wenn sie ihn nicht sofort töteten, würde er an diesem Ort langsam sterben. Er würde dahinsiechen wie ein eingesperrtes Tier, aus Mangel an Licht und Sonne, Wärme und Freiheit. Und niemals würde er erfahren, was aus seinen geliebten Kindern geworden war …
    Das Licht der Fackel flackerte über verschimmelte Steinwände, vermodernde Kisten und Fässer, die aussahen, als ob sie seit Jahren kein Tageslicht mehr gesehen hätten. Black Otter hörte das schwache Geräusch tropfenden Wassers und das Geraschel von Ratten.
    Einer der Männer sagte etwas, als der Schein der Fackel auf einem Rahmen aus rostigen Eisenstäben zur Ruhe kam. Eine Tür öffnete sich quietschend auf rostigen Scharnieren und gab den Blick frei auf einen winzigen höhlenartigen Raum, der aussah, als hätte man ihn aus dem Erdreich herausgehauen. Als ihm klar wurde, dass man ihn gleich in dieses schreckliche Loch hineinstoßen würde, wollte Black Otter sich wehren – aber das war reine Kraftverschwendung. Mit einer Schnelligkeit, die man bei seiner Größe nicht erwartet hätte, schlug der große weiße Mann mit seiner kräftigen Faust zu. Black Otter sah den Schlag kommen, aber er war unfähig, auszuweichen oder zurückzuschlagen. Der Schmerz durchzuckte ihn blitzartig, als die riesigen Fingerknöchel gegen seinen Wangenknochen prallten. Dann zerbarst das Fackellicht zu umherwirbelnden Sternen, und er wurde nach vorn in die Dunkelheit geschleudert.
    Rowena stocherte in ihrem Essen herum, denn sie war zu beunruhigt, um etwas zu sich nehmen zu können. “Ich verstehe das alles nicht!”, rief sie, während sie ihren Teller zur Seite stieß. “Ihr sagt, Ihr habt einhundertfünfzig Pfund für den Mann bezahlt! Vater, das ist ein kleines Vermögen und weit mehr, als wir uns leisten können. Was, um Himmels willen, ist bloß in Euch gefahren, so etwas zu tun?”
    Sir Christopher erhob seinen Deckelkrug und trank einen Schluck Ale, um Brot und Fleisch herunterzuspülen. “Meine liebe Rowena”, antwortete er missmutig, “ich gebe zu, dass einhundertfünfzig Pfund eine beträchtliche Summe ist, aber du musst das als eine Kapitalanlage betrachten.”
    “Eine Kapitalanlage?” Rowena starrte ihn an.
    “Eine Kapitalanlage für die Zukunft. Meine und deine eigene.” Er beugte sich vor über den langen, kahlen Tisch, an dem sie beide saßen. Das flackernde Licht einer einzigen, fast abgebrannten Kerze zwischen ihnen betonte mit harten Übergängen von Licht und Schatten die Linien seines Gesichtes. Er sah alt und müde aus.
    “Hör mir zu, Kind.” Seine Ernsthaftigkeit brachte sie fast zum Weinen. “Wir beide wissen, dass mein Ruf als Gelehrter im Laufe der Jahre verblasst ist. Ich werde nicht mehr von der Königen zurate gezogen oder nach Oxford eingeladen, um dort Vorlesungen zu halten. Aber mit den neuen Entdeckungen, die ich zu machen hoffe, wird sich das alles ändern.”
    “Ihr sprecht
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