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Wiedersehen in Stormy Meadows

Wiedersehen in Stormy Meadows

Titel: Wiedersehen in Stormy Meadows
Autoren: Sarah Harvey
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getragen hatte, passt jetzt auf ihren rechten Mittelfinger. Und der Blick, den sie mir zuwirft, ist so hasserfüllt wie eh und je.
    Was will die denn hier?, lautet die stille Anklage. Offenbar hat sie vor Eleanor Brice so viel Respekt, die Worte nicht laut auszusprechen.
    »Setz dich, Cassandra.« Die Schulleiterin wirft nur einen Blick in Cassies Richtung, woraufhin das Mädchen in den Knien einknickt und wie zusammengeklappt auf einen Stuhl sinkt.
    Eleonor Brice wendet sich wieder an mich. »Nun möchte ich direkt zum Thema kommen, Mrs. Forester. Cassandra hat das Foto, die E-Mail-Adresse und die Handynummer einer Mitschülerin auf einer Website veröffentlicht, einer Seite von, sagen wir mal, reichlich anrüchigem Charakter.«
    Mrs. Brice greift in eine Schreibtischschublade, zieht eine Aktenmappe heraus, entnimmt ihr ein Blatt Papier und schiebt es mir mit beherrschter Miene zu.
    Ich greife nach dem Bogen, versuche dabei, mein Händezittern zu unterdrücken, und wende mich dem Inhalt zu. Es ist der Ausdruck einer Porno-Website. Der Kopf eines Mädchens mit blonder Kurzhaarfrisur, Sommersprossen und bösartigem Blick sitzt oben auf einem Körper, der ganz eindeutig nicht zu diesem Kopf gehört. Der Frauenkörper hat die Maße von Pamela Anderson, die Beine sind weit gespreizt, nur eine recht suggestiv platzierte Hand bedeckt die Scham. Libby Labia, das Lustluder besagt die knallige Überschrift über dem arroganten Gesicht. Untendrunter folgt eine Liste mit Sexualakten, von kultiviert bis widerlich schmutzig. Daneben stehen die Preise.
    Ich weiß, dass mir vor Schreck der Mund offen steht, aber statt empört zu sein, spüre ich, wie ein vollkommen unangebrachtes Gelächter in meiner Kehle aufsteigt. Ich schlucke ein paarmal kräftig, und als das auch nicht hilft, verwandle ich mein Kichern in einen Hustenanfall. Ich halte mir die Hand vor den Mund und das halbe Gesicht, bis ich die Fassung so weit wiedergewonnen habe, dass ich Eleanor Brice und Cassie mit ernster Miene ansehen kann.
    Die Schulleiterin beobachtet mich. Offensichtlich erwartet sie, dass ich Cassie ermahne. So, wie das vernünftige Eltern in einer solchen Situation eben tun.
    »Warum hast du das gemacht, Cas?«
    Was geht dich das an?, sagt Cassies Blick, aber weil Eleanor Brice und ich sie weiter beobachten und auf Antwort warten, erwidert sie schließlich mit trockener, fast schon brüchiger Stimme:
    »Ich war einfach so dermaßen angepisst.«
    Ich nehme mir vor, im Netz mal nach einem Phantombild von mir zu suchen. Wahrscheinlich bin ich die Neurotische Nutte Natalie, die sich für sechs Pfund von einem Hund lecken lässt.
    Die ganze Situation ist umso peinlicher, als ich immer noch Mühe habe, mir das Lachen zu verbeißen. Für das betroffene Mädchen mag die ganze Angelegenheit ziemlich schlimm sein, aber ich habe während meiner Schulzeit selbst oft genug unter zickigen Freundinnen gelitten, daher habe ich ein gewisses Mitgefühl mit Cassie – ja, sogar mehr als das. Fast möchte ich ihr dazu gratulieren, dass sie ihrer Kontrahentin auf so spektakuläre Weise eins ausgewischt hat. Ich fühle mich an die Streiche erinnert, die ich in Cassies Alter ausgeheckt habe, aber ich war nie mutig genug, um in aller Öffentlichkeit zuzuschlagen.
    »Es ist wirklich ein schwerwiegender Fall, Mrs. Forester.« Offenbar schließt die Schulleiterin aus meinem Verhalten, dass sie mir den Ernst der Lage ins Gedächtnis rufen muss.
    Ich hole Luft, bemühe mich erneut, ein ernstes Gesicht zu machen, und lausche, während sie feierlich fortfährt.
    »Wir sehen die persönliche Sicherheit einer Mitschülerin auf grobe Weise gefährdet. Daher haben wir keine andere Wahl, als Cassandra für den Rest des Schuljahres vom Unterricht zu suspendieren.«
    »Zu suspendieren!«, rufe ich überrascht aus. Darauf wäre ich tatsächlich gerne vorbereitet gewesen. Nicht zuletzt, weil Cassies Suspendierung nämlich bedeutet, dass sie nach Hause kommt. Meine Stieftochter und ich werden im gleichen Haus leben, zum ersten Mal, seit Rob …
    »Sie hat noch Glück, dass wir keinen Schulverweis aussprechen, Mrs. Forester.« Die Schulleiterin beugt sich zu mir. »Aber wir berücksichtigen die Schwierigkeiten, mit denen Cassandra im letzten Jahr konfrontiert war …«
    »Schwierigkeiten?«, wiederhole ich fassungslos. Meine egoistische Angst vor Cassies Heimkehr löst sich in nichts auf. Wie kann man bloß den Unfalltod ihres Vaters als »Schwierigkeiten« bezeichnen?
    Ich spüre, wie
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