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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar
Autoren: Joe Schreiber
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Broadway mit deinen Eltern und deiner kleinen Schwester. Ich rede von Manhattan, bei Nacht, mit dir. Weißt du, was ich meine?«
    »Im Ernst?«
    »Sehe ich aus, als ob ich Witze machen würde?«
    Ich nickte mit dem Kopf. Das konnte sich sogar positiv für mich auswirken. Wenn Gobi wirklich in die Stadt wollte, dann stand meinem Auftritt im Monty’s nichts mehr im Wege, und nicht mal mein Dad konnte was dagegen tun. »Okay«, sagte ich deshalb. »Ich meine, falls du wirklich willst.«
    Wir waren jetzt wieder bei uns im Ort, an unserem kleinen Marktplatz. Ich betätigte den Blinker und steuerte die linke Spur an. »Aber wir müssen erst nach Hause und das andere Auto holen …«
    »Nein.« Sie griff mir ins Lenkrad. »Wir nehmen das hier.«
    »Halt, was machst du da?«
    »Der Jaguar, das ist doch ein guter Wagen, ja? Ist schnell, ja?«
    »Ja klar«, sagte ich. »Natürlich ist er schnell, aber –«
    »Also nehmen wir den.«
    »Nein.«
    »Hast du nicht gesagt, es wäre eine Freude, ihn zu fahren?«
    »Zur Schule, ja. Nach New York irgendwie nicht.«
    »Sie blickte mich an und schnalzte mit der Zunge. » Šliundra .«
    »Und was soll das heißen?«
    »Das heißt … Wie sagt man …?« Gobi deutete mit dem Kinn auf mich, da unten. »Schlappschwanz?«
    »Schlappschwanz? Du nennst mich einen Schlappschwanz?«
    Sie nickte.
    »Hör zu, Gobi, ich werd’s dir erklären. Dieser Wagen hier kostet um die achtzigtausend Dollar, und mein Vater liebt ihn wie sein eigenes Kind. Ich fahre mit dem nicht nach Manhattan, und damit basta.«
    »Du tust immer, was dein Vater dir vorschreibt?«
    »Wenn es um den Wagen geht, ja.«
    Sie lächelte mich wieder so an wie in dem Augenblick, als wir an der Schule angekommen waren. Allerdings war ihr Lächeln jetzt anders, nicht mehr so verspielt, sondern herausfordernd. »Ich seh doch, wie er mit dir redet. Wie er dein Leben bestimmt.« Ihre Stimme wandelte sich zu einer grausam zutreffenden Imitation des dröhnenden Basses meines Dads. »Du musst dich mehr anstrengen, Perry. Eine Zwei ist nicht akzeptabel. Mit solchen Noten schaffst du’s nie auf die Columbia. Und wie stellst du dir das bitte schön vor, wie willst du jemals Erfolg haben?«
    Ich merkte, wie meine Lippen, Wangen und Stirn heiß anliefen. »Das stimmt überhaupt nicht.«
    »Er sagt dir, was du tun sollst, und du tust es. Ständig hast du Angst, ihn zu enttäuschen. So kann man doch nicht leben!«
    »Hör auf«, sagte ich. »Du kennst mich doch überhaupt nicht. Ich meine, du wohnst jetzt vielleicht seit ein paar Monaten bei uns im Haus, aber du hast keine Ahnung, wie es wirklich zwischen uns läuft.«
    »Beweis es mir.«
    »Was?«
    »Du weißt genau, was ich meine. Wovor hast du solche Angst?«
    »Darum geht’s doch gar nicht. So was tue ich nicht. Verstanden?«
    Sie seufzte. »Dein Vater hat doch selbst gesagt, dass du das Auto benutzen darfst, oder?«
    »Ja, schon, aber …«
    »Er hat nicht gesagt, wo du es benutzen darfst.«
    Ich warf einen Blick hinunter auf das Jaguar-Kettchen, das am Zündschloss hing, und dachte daran, wie mein Vater den Schlüssel im Büro vor meinen Augen hatte baumeln lassen – mal wieder ein Zuckerbrot, in der anderen Hand hielt er die Peitsche.
    Ich trat aufs Gaspedal. Das Wummern des V-12-Motors flutete wie eine Welle durch mich hindurch.
    »Nur eine kurze Stippvisite, okay?«
    Gobi nickte, als hätte sie nichts anderes erwartet. Dann griff sie in ihre Monsterhandtasche und zog ein BlackBerry heraus. Hatte ich sie jemals zuvor mit einem Smartphone gesehen?
    Sie tippte blitzschnell etwas ein und hielt das Telefon dann hoch, damit ich die Anzeige besser sehen konnte. »Da will ich hin.«
    Ich warf einen Blick darauf. »Was, in den 40/40 Club? Ist das dein Ernst?«
    »Kennst du den?«
    »Na ja, schon, das ist der Club von Jay-Z, aber …«
    »Gut.« Sie steckte das BlackBerry weg. »Dann bring uns hin.«
    »Und warum da hin?«
    Sie zuckte die Schultern. »Ich hab in einer Zeitschrift was darüber gelesen. Ich will mir das mal angucken.«
    »Ich bezweifle, dass die uns reinlassen.«
    »Bist du immer so negativ?«
    »Nur, wenn es sich um komplett Unmögliches handelt«, antwortete ich. »Davon abgesehen bin ich ein echter Sonnyboy.«
    Sie lachte.
    »Was?«
    »Du bist lustig.«
    »Freut mich, dass du mich lustig findest. Sehr viel lustiger wird’s heute Abend vermutlich nicht mehr.«
    »Das bezweifle ich allerdings ziemlich.«
    Ich schaltete herunter und konzentrierte mich ganz aufs Fahren. Es
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