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Wie weiter?

Wie weiter?

Titel: Wie weiter?
Autoren: Gregor Gysi
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Arbeitszeiten. Je mehr die notwendige Veränderung von Lebens- und Produktionsgewohnheiten ein gemeinsames Anliegen ist, desto größer wird die Motivation, daran selbst mitzuwirken. Wer den ökologischen Fortschritt will, muss für Angstfreiheit im Wandel sorgen.
    Auch der allgemeine Ruf gegen Wachstum macht Ärmeren Angst. Wir müssen ein anderes, qualitatives Wachstum, ein anderes, qualitatives Mehr fordern. Konkret heißt das zum Beispiel: Wir brauchen nicht nur Elektromobile, sondern eine Renaissance preisgünstiger und bequemer öffentlicher Verkehrssysteme, die es erlauben, den Pkw-Verkehr in Metropolen zu halbieren. Wir brauchen nicht nur schicke Öko-Gebäude, sondern auch lebenswerte, ökologisch sanierte und gleichzeitig erschwingliche Stadtquartiere, die Arbeit und Wohnen wieder zusammenbringen. Wir brauchen keinen ressourcenfressenden Luxuskonsum, sondern mehr kulturelle und soziale Dienstleistungen, die kaum Natur verbrauchen, aber spürbar den Wohlstand steigern. Verallgemeinert könnte man sagen: Wir müssen die ökologischen Effekte aufspüren und verwirklichen, die im Systemischen liegen.
    Das aber verlangt die Fähigkeit zur Vision und politische Entschlossenheit. Wer nicht den Mut hat, Infrastrukturen umzubauen und im ökologischen Interesse angestammte Eigentumsprivilegien anzutasten, springt zu kurz.
    Das häufig genannte Argument, dass die Politik nicht schlauer sein könne als der Markt, mag bei einzelnen Technologien zutreffen. Für das Ressourcenproblem insgesamt ist dieses Argument sicher falsch, wie sogar die schwarz-gelbe Bundesregierung indirekt zugibt, wenn sie ein Energiekonzept mit dem Planungshorizont von 40 Jahren vorlegt. Ohne politische Lenkung – das zeigen die früheren Erfahrungen intensiven Strukturwandels – ist ein zügiger Umbau wirtschaftlicher Aktivitäten nicht möglich.
    Außerdem: Am Markt können ökologische Produkte gefragt sein, aber die Ökonomie entscheidet oft, sie nicht ökologisch herzustellen. Gesetzliche Vorgaben sind dabei wichtig. Aus dem gescheiterten Staatssozialismus konnte man aber lernen – und das ist im Kapitalismus nicht anders –, dass juristische Gesetze immer schwächer sind als ökonomische Gesetze. Deshalb muss das Gemeinwesen auch in eigener Regie, mit eigener wirtschaftlicher Kraft handeln können.
    Und selbstverständlich haben wir noch einen dritten Grund für unseren PLAN B, der sich aus der aktuellen Situation ergibt.
    Wir haben in einem 48-Seiten-Konzept Eingriffspunkte geschildert, die Erfolg versprechend erscheinen, Alternativen aufgezeigt, die denkbar und machbar sind. Und all das in einen systematischen Zusammenhang gestellt. Vieles ist umgehend zu verwirklichen, wenn gesellschaftlicher Druck den politischen Willen befördert. Oder wenn Bürgerinitiativen, Kommunen, Unternehmen und Genossenschaften selbst in die Hand nehmen, was sie im Sinne einer sozialen und ökologischen Zukunft für richtig halten. So sind bereits tausende Initiativen entstanden, die in eigener Regie saubere Energie erzeugen, den Autoverkehr durch neue Verkehrskonzepte deutlich reduzieren oder die energetische Sanierung von Wohnquartieren kostenneutral gestalten.
    Diesen »Umbau von unten« gibt es längst. Aber vieles geht schneller und mit größerer gesellschaftlicher Wucht, wenn die Politik – statt zu bremsen und zu lähmen – den Umbau aktiv befördert.
    Was möglich wird, wenn es verlässliche Regeln für den Umbau gibt, zeigt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Auf seiner Grundlage sind seit dem Jahr 2000 überall im Land Anlagen dezentraler Stromerzeugung entstanden. Die begonnene Energiewende demonstriert täglich, dass mächtige, mit Ministerialbürokratien eng verflochtene Interessengruppen kein übermächtiger Gegner bleiben müssen. Der Umbau herkömmlicher Wirtschaftsstrukturen ist machbar.
    Die begonnene Energiewende offenbart allerdings auch, und gerade jetzt, in diesen Wochen: Sie wäre wesentlich populärer und unangreifbarer, wenn es eine gerechtere Kostenverteilung gäbe. So entsteht immer wieder die Gefahr, dass Ökologie und Gerechtigkeit gegeneinander ausgespielt werden.
    Im Moment erleben wir eine verlogene Kampagne. »Energiewende retten – das EEG stoppen«. Das lässt die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft überall plakatieren und in Zeitungen drucken. Wir wissen, wer dahintersteckt, wer von mittlerweile fast 1,5 Millionen dezentralen Anlagen erneuerbarer Energie seine Geschäftsaussichten gefährdet sieht.
    Damit
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