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Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Titel: Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)
Autoren: Maike Maja Nowak
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Natur nicht zerstört wurde) einen Menschen sofort neu annehmen kann, wenn dieser sein unangemessenes Verhalten ihm gegenüber beendet und um einen respektvolleren Umgang bemüht ist (siehe »Das Ende des Kampfes«). Es ist sehr ergreifend, bei einem solchen Prozess dabei zu sein. Ich habe schon viele dieser wunderbaren Veränderungen erlebt, bei denen Menschen, die aus ihrer Ohnmacht heraus sehr heftig reagiert hatten, das Prinzip der respektvollen Kooperation entdeckten, und der Hund, der sich bisher verweigerte, ihnen freudig entgegenkam.
    Es verändert häufig etwas in uns Menschen, wenn wir nach einem Verhalten, für das wir uns selbst schämen, mit so viel Toleranz und Großzügigkeit beschenkt werden.
    Die wohl bemerkenswerteste Fähigkeit der Leithunde ist ihre Fähigkeit zum rein mentalen, also inneren Austausch. Sie werden mit ihnen häufig erleben, dass sie Handlungen ausführen, die Sie weder angesagt noch gezeigt haben, aber gerade tun wollten. Wenn Sie zum Beispiel gerade darüber nachdenken, einen völlig anderen Weg zu nehmen als den, den Sie sonst laufen, und der Hund tut dies bereits im gleichen Moment, hat ein solcher Austausch stattgefunden.
    3 Barbara Ertl/Silke W. Wichers: Der Verständigungsschlüssel zum Hund: Die vererbten Rudelstellungen der Hunde nach Philipp, Josef und Karl Werner (1810–1977). Ein anderer Blick auf die Sozialstruktur von Hunden, Hamburg 2013

Präsenz
    Jeder, der mit einem Hund lebt, der unter Druck zusammenbricht und/oder sich einem Dauerdruck verweigert, hat zwei Möglichkeiten. Entweder macht er damit weiter, bis von dem Hund nichts mehr übrig ist, oder er lernt, was er stattdessen von sich selbst einsetzen kann. Dazu muss man sich immer wieder vor Augen führen, dass ein Leithund – anders als der Mensch – weder durch Beziehungen an seine Position gekommen ist, noch sich »hochgearbeitet« hat. Er ist ein Leithund, weil er von Geburt an die natürliche Kompetenz besitzt zu führen. Obwohl es uns Menschen nie möglich sein wird, das Verhalten eines solchen Hundes tatsächlich zu imitieren, ist es aus meiner Erfahrung dennoch möglich, erfolgreich vom Rüstzeug dieser Hunde zu lernen und es in eine eigene, menschliche Anwendung zu übertragen. Nichts, was ich von Leithunden lernte, hätte ich von einem Menschen lernen können. Das hat einen simplen Grund: Leitende Menschen erzeugen Präsenz fast ausschließlich, indem sie nach außen massiver werden. Hunde erzeugen Präsenz in sich selbst.
    Erinnern Sie sich noch an die Siegerpose des italienischen Fußballers Mario Balotelli nach seinem zweiten Tor zur Fußballeuropameisterschaft 2012? Als der sehr muskulöse Sportler sich das T-Shirt spontan über den Kopf gezogen hatte, winkelte er die Arme leicht an, spannte Oberarme, Nacken- und Halsmuskulatur an und verharrte dann in einer Art Bodybuilder-Pose, die auch bei unseren Vorfahren noch häufig zu sehen war, wenn sie einen Triumph feierten oder imponieren wollten. Diese Demonstration von Kraft, nachdem ein Sieg bereits errungen wurde, sagt viel darüber aus, woher wir stammen.
    Hunde bauen sich dagegen nur vor einer möglichen Konfrontation auf, um Stärke und Souveränität zu demonstrieren. Ein vorderer Leithund zum Beispiel baut sich vor seiner Gruppe auf, wenn ein anderer Hund sich ihr nähert. »Diese Gruppe wird von mir geschützt, du darfst einen Respektbogen einlegen und weiterziehen«, so ließe sich diese Pose übersetzen. Sie allein reicht aus, um den anderen Hund zum Weitergehen zu bewegen und eine Konfrontation zu vermeiden.
    Hunde, die einen Sieg oder einen Triumph wie zum Beispiel die Errungenschaft einer Beute feiern, um die sie einen Wettbewerb führten, trippeln häufig mit zurückgeworfenem Kopf, stolz geschwellter Brust und leicht wie ein Fähnchen umher und demonstrieren den Besitz der Beute. Sie strahlen dabei einfach Freude und Stolz aus, keinerlei Massivität. Durch den Umgang mit ihnen konnte ich lernen, wie man Präsenz erzeugt, ohne massiv zu werden. Präsent zu sein heißt ja eigentlich nur: da zu sein, vorhanden zu sein. Man kann mit Massivität nichts ersetzen, was nicht da ist.
    In der menschlichen Welt, in der es leider oft angemessen ist, sich zu verstellen, geben Hunde uns die große Chance, uns wieder selbst zu entdecken und zu zeigen. Die Begegnung zwischen einem menschlichen Tier und einem hündischen Tier kann voller Wahrhaftigkeit und Wertschätzung für das, was den anderen ausmacht, und eine unglaubliche Erfahrung sein.
    Da
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