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Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Titel: Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)
Autoren: Robert Skidelsky , Edward Skidelsky
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Spielereien der Mittelschicht, das moderne Äquivalent zu den französischen Hofdamen von Marie Antoinette, die in Versailles Milchmädchen spielten. Ihre Angebote sind teuer und exklusiv und ändern nichts an dem allgemeinen Trend, der in die entgegengesetzte Richtung geht.
    Freundschaft.
Die Soziologen streiten darüber, ob Freundschaft in unserem Sinn (oder »soziales Kapital«, um den geläufigen Barbarismus zu gebrauchen) gedeiht oder schwindet. Ohne Zweifel befinden sich viele traditionelle Formen der Geselligkeit – die Kirchen, die Gewerkschaften, Kneipen, Arbeitervereine – in Großbritannien im Niedergang.[ 48 ] Aber es gibt Ersatz. New-Age-Sekten sind auf dem Vormarsch. Immer neue Bürgerinitiativen formieren sich. Und dann ist da natürlich noch das Internet mit seinen unendlich vielen Möglichkeiten, um Kontakte zu knüpfen. Typisch ist eine Verschiebung von Beziehungen, die auf Gemeinsamkeiten in der Lebensführung gründen, hin zu Beziehungen auf der Grundlage gemeinsamer Interessen und Identitäten. Letztere passen besser zum amöbenhaften postmodernen Selbst.[ 49 ] Ähnliche Trends hat man in anderen OECD-Ländern beobachtet.[ 50 ]
    Eine Institution bereitet besondere Sorgen. In allen Industrieländern werden weniger Ehen geschlossen, und häufiger enden Ehen in einer Scheidung.[ 51 ] Oft ist zu hören, exklusive, lebenslange Bindungen seien eine Falle, insbesondere für Frauen. Doch die Empirie spricht dafür, dass stabile Beziehungen für alle Beteiligten gut sind, besonders für die Kinder, und dass Ehen generell stabiler sind als informelle Verbindungen.[ 52 ] Wohl aus diesem Grund ist die Sexualität überall auf der Welt durch Rituale und Strafen reguliert. Nur in modernen westlichen Gesellschaften gilt sexuelle Freiheit als ein Grundrecht.
    Muße.
Wie wir in Kapitel 1 gezeigt haben, ist die Freizeit in den letzten 20 Jahren nicht mehr geworden, eher weniger, wenn wir Pendelzeiten und andere unliebsame Pflichten in die Rechnung einbeziehen. Aber da »Muße« in unserem Sinn nicht einfach nur Zeit ohne Arbeit ist, sondern Zeit, die für selbst gewählte, nicht zweckgebundene Tätigkeiten zur Verfügung steht, ist es wichtig zu fragen, wie die freien Stunden gefüllt werden. Es gibt unterschiedliche Trends. Das Fernsehen spielt in Großbritannien und anderen Ländern nach wie vor die Hauptrolle, der durchschnittliche Brite verbringt täglich über vier Stunden vor dem Fernsehapparat.[ 53 ] Videospiele und soziale Netzwerke werden vor allem bei jungen Leuten immer populärer. Der Zahl der erwachsenen Briten, die zumindest eine Sportart betreiben, ist zwischen 1990 und 2002 von 48 auf 43 Prozent gesunken; in Kanada und den USA ist die Tendenz ähnlich.[ 54 ] Die Zeit, die Menschen in Großbritannien und in Frankreich mit Lesen verbringen, hat seit 1975 etwas zugenommen, obwohl die Zahl der Leser zurückgegangen ist, vor allem der Zeitungs- und Zeitschriftenleser. In den USA hat es sowohl bei der Zahl der Leser wie bei den Lesestunden einen starken Einbruch gegeben.[ 55 ] Kulturveranstaltungen konnten 2003 in Großbritannien etwas mehr Interessierte anziehen als 1986, wie Schaubild 15 zeigt. Derartige Statistiken sind unvermeidlich zu grob, um die laufende Debatte zwischen Kulturpessimisten und -optimisten zu entscheiden. Klar ist jedoch, dass Keynes’ Vision, wonach die Kultur der Mittelschicht sich mit mehr Freizeit zur Masse hin ausbreitet, nicht Wirklichkeit geworden ist.
    Dass in den letzten 30 Jahren in Großbritannien und anderen Ländern mehr Menschen eine höhere Bildung erwerben, könnte man als einen Zuwachs an Muße interpretieren. Doch weil das höhere Bildungswesen zunehmend nach utilitaristischen Erfordernissen umgebaut wurde, ist die Zuordnung von Bildung zu Muße nicht mehr evident. Bildung, deren primäre Aufgabe es ist, dem Schüler oder Studenten einen »Mehrwert« zu verleihen, indem sie ihm »übertragbare Fertigkeiten« beibringt, ist nicht mehr Muße in unserem Sinn, sondern Arbeit – anders in der Intensität, aber nicht im Charakter als bezahlte Berufsarbeit.
    15. Besuch von Kulturveranstaltungen in Großbritannien

    Quelle: Target Group Index; BM RB International; Cinema Advertising Association
    Generell sieht es nicht gut aus für die Befürworter von Wachstum um jeden Preis. Obwohl sich das Pro-Kopf-Einkommen in Großbritannien seit 1974 verdoppelt hat, besitzen wir von den Basisgütern nicht mehr; in mancher Hinsicht haben wir sogar weniger. Wir jagen
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