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Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Titel: Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam
Autoren: HanneLore Hallek
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Flussseite steigen wir auf einer breiten Granitrampe an den gewaltigen grauen Quadern der Stadtmauer vorbei zum Portal de Francia hinauf, und betreten die Altstadt dort, wo im Mittelalter der französische Teil der Bevölkerung gelebt hat. Düster ist es hier. Hohe, teilweise verfallene Häuser säumen die schmale Gasse. Obwohl überall renoviert und gebaut wird, wirkt diese Straße verrottet, schmutzig und uralt. Doch schon an der nächsten Ecke ändert sich das Bild, die prächtige Kathedrale liegt vor uns, zwischen Kloster und baumbestandenen Plätzen. Schade, sie ist geschlossen. Dann bleibt uns alternativ nur ein anderthalb Kilometer langer Rundweg um die Altstadt, den können wir uns zumuten. Hier steht schon ein erster Hinweis: links herum. Nicht lange durch kleine Straßen zwischen hohen, fensterlosen Mauern hindurch, dann stehen wir unvermittelt auf der Krone der Stadtmauer und haben einen phantastischen Blick über das Flusstal, die kleinen Städte ringsum und die Berge im Hintergrund. Unter hohen Bäumen passieren wir den Königspalast, das Karmeliterinnenkloster und den Bischofspalast, steigen hinunter zur Stierkampfarena, drängen uns durch die belebten Altstadtgassen, trinken Café auf dem prächtigen Marktplatz und schlagen schließlich die Richtung stadtauswärts zur Zitadelle ein. Zu meiner Freude entdecke ich mitten im Trubel die geöffnete Pilgerkirche San Saturnino. Ruhig, prächtig, kühl. Ich liebe meditative Minuten allein auf einer Kirchenbank und Herumgehen und Schauen im Kirchenraum. Diesmal leider nur kurz, denn im Laufe des Morgens hab ich Fieber bekommen und Maja hält sich nur noch durch eisernen Willen auf ihren malträtierten Füßen. Wir müssen weiter, die letzten 5 Kilometer hinter uns bringen.
    Über die ausgedehnten Grünflächen der gigantischen Zitadelle und durch moderne Vorstädte verlassen wir die schöne Stadt, und geraten in ein Gewirr von Zubringerstraßen und Baustellen in stechender Mittagssonne. Mein Rucksack, in den ich Jacke und Sweatshirt stopfe, ist schwer wie ein Felsen und mein Schädel brummt. Hätte ich doch nur meine Schirmmütze nicht vergessen! Da wickele ich mein Halstuch um meinen Kopfschmerzkopf und trotte angestrengt weiter. Bis mich ein Spanier mit Einkaufstüten anspricht und mir bedeutet, ihm zu folgen, weg von der Straße, über Brachland. Ich vertraue ihm einfach, gehe ihm nach, froh, mich nicht um den Weg kümmern zu müssen. Folge ihm auf einen kurzen Schleichweg über Bahngleise und durch Tunnel. An einer Kreuzung weist er uns den Weg nach Cizur Minor und verschwindet Richtung Nachbardorf. Danke, das war wohltuend!
    Da oben liegt unser Ziel, weht eine Malteserflagge über Burgzinnen. Wieso schon wieder oben? Haben wir nicht die Berge hinter uns? Leider wartet schon der nächste Höhenzug, aber heute wollen wir nicht daran denken, wollen nur die anstrengenden letzten Meter schaffen.
    Junge Bäume werfen magere Schatten auf den Fußweg. Ich husche von einem kühlen Fleck zum nächsten, bis zwischen den ersten Häusern die romanische Malteserkirche herausragt und unsere Neugier weckt. Für einen kurzen Blick in dieses faszinierende Gemäuer reicht unsere Kraft noch, doch wir kehren schnell wieder um: der riesige, kahle Kirchenraum gehört zu einer Herberge und sein Steinboden ist mit Matratzen bedeckt. Mich gruselt’s, bloß weg hier.
    Nun sind es auch wirklich nur noch ein paar Schritte bis zu einem Schild , und zu einer hohen Gartenmauer, hinter der uns ein Paradies erwartet: Ein Garten voller Walnussbäume, Palmen und Feigenbäume, in dem ein nettes Holzhaus mit den ersehnten bequemen Betten steht. Und die Hospitalera erscheint uns wie ein Engel, empfangt uns freundlich und fragt fürsorglich, wie es uns geht: „Was machen eure Füße?“ Unser jämmerlicher Zustand ist offenbar nicht zu übersehen. „Wenn ihr möchtet, werden wir morgen euer Gepäck nach Puente la Reina transportieren. Holt euch bei mir einen Plastiksack, tut alles Entbehrliche rein und lasst ihn auf den Betten liegen.“ Darüber werden wir später nachdenken, jetzt wollen wir nur schlafen.

    Erst am Nachmittag krieche ich wieder unter meiner Decke hervor und blinzele in den Raum, der sich inzwischen gefüllt hat. Mir gegenüber löst ein junger Mann blutige Verbände von seinen Füßen, ich schaue lieber weg. Auf eine Frau, die mit einem dick geschwollenen Knie vorbeihumpelt. — Dann doch lieber mein bisschen Fieber. Ich fühle mich krank, doch in
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