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Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Titel: Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)
Autoren: Peter Ensikat , Dieter Hildebrandt
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sind. Die Kinder werden noch nicht gebraucht und die Alten nicht mehr .
    H ILDEBRANDT: Das ist ein gutes Gleichnis, dieser alte Hahn, der Esel. Das sind eigentlich alles Entlassene.
    E NSIKAT: Als das nach dem Mauerfall in Stuttgart gespielt wurde, sagten alle, dass es ein Stück über die Abwicklung der DDR sei. Dabei hatte ich es viele Jahre vorher geschrieben. Bei »Hase und Igel« war es ähnlich. Dem Igel droht der Verlust seines Grundstücks, und er lässt sich auf den Wettlauf gegen den arroganten Hasen ein. Das haben sie 1993 in Stuttgart gespielt, und die Kollegen dachten, ich hätte es über Ost-West geschrieben: »Der Igel ist der doofe Ossi, und der Hase ist der, der euch übers Ohr haut.« Aber auch das habe ich lange vorher geschrieben. Mir ging es um die Toleranz gegenüber dem anderen, auch Schwächeren. Ein Kollege vom Grips Theater sagte mir damals: »Du, das ist ein Stück gegen Rassismus.«
    H ILDEBRANDT: So kann man das auch sehen.
    E NSIKAT: In den Achtzigern habe ich »Hase und Igel« in Äthiopien inszeniert. Für die war es ein Stück gegen die Kolonialherrschaft, gegen die Italiener. Ein Freund von mir hat es in Indien gemacht. Da war’s ein Stück gegen die britische Besatzung.
    H ILDEBRANDT: In Äthiopien hast du das gemacht?
    E NSIKAT: Zweimal war ich dort, zuerst mit den »Bremer Stadtmusikanten«, dann mit »Hase und Igel«. In dieser Zeit war ich auch in der DDR eine Art »Erfolgsautor«. Meine Stücke wurden ungeheuer viel gespielt, und ich lebte sehr gut von dem Missverständnis, dass das brave Weihnachtsmärchen seien. Allerdings muss man sagen, dass sich der Erfolg nicht in Tantiemen ausdrückte. Die Eintrittspreise im Kindertheater betrugen pro Platz etwa fünfzig Pfennig. Davon bekam der Autor zehn Prozent. Da hat der Genosse Brecht doch wesentlich mehr verdient, obwohl seine Stücke nicht so oft gespielt wurden.

DIE GRETCHENFRAGE

    H ILDEBRANDT: Übrigens, wie hältst du’s mit der Religion?
    E NSIKAT: Ich komme aus einer tiefgläubigen Atheistenfamilie. Mein Großvater hat im Laufe seines Lebens immer wieder die Parteien gewechselt, aber als strenger Atheist blieb er bis zum Schluss unduldsam gegen alle Andersgläubigen. Das machte mich schon als Kind unsicher. Hätte ich einen ebenso strengen Katholiken zum Großvater gehabt, ich wäre heute vermutlich ein sehr überzeugter Atheist. So hab ich immer noch meine Zweifel. Aber ein gläubiger Mensch bin ich nicht.
    H ILDEBRANDT: Woran zweifelst du? An dir? An deinem Glauben? An Gott? Oder an allem?
    E NSIKAT: An allem, an allem, an allem – amen.
    H ILDEBRANDT: An allem? Auch an unser beider Existenz?
    E NSIKAT: Nein, dass es uns beide gibt, daran glaube ich schon.
    H ILDEBRANDT: Ich atme auf.
    E NSIKAT: Aber ob da noch etwas über uns ist …, das ist ja eine Frage, die sich erübrigt. Meine Frau, mit derich sehr lange friedlich zusammengelebt habe, war praktizierende Christin. Wir haben nie darüber gestritten, wer nun recht hat. Unsere Kinder haben wir in den christlichen Kindergarten geschickt, in die Christenlehre und zum Konfirmationsunterricht. Das war uns beiden wichtig. Die Kinder sollten wissen, dass es eine Alternative zu dem gab, woran man in der DDR glauben sollte. Aber auch in der Bundesrepublik ist es wohl kein Fehler, wenn man seine Kinder in den Religionsunterricht schickt. Sie sollen selbst entscheiden, woran sie glauben und woran nicht.
    H ILDEBRANDT: Halte ich auch nicht für einen Fehler. Ich habe katholisch geheiratet, obwohl ich aus einer absolut atheistischen Familie kam. In meiner Familie gab es damals mehrere Parteimitglieder, die die Abkehr von der Kirche mitgemacht haben. Aber erzogen wurde ich natürlich protestantisch, und das bin ich bis heute geblieben. Meine Großmutter sorgte für eine vorübergehende Irritation. Sie war eine Katholikin und kam aus dem tiefsten tiefkatholischen Böhmen. In den ersten Jahren, als ich allein bei ihr lebte, mein Vater also keinen Widerstand leisten konnte, hat sie mich morgens immer zur Frühmesse mitgeschleppt. Mit drei Jahren kam ich in die katholische Kirche in Bunzlau und fand das grandios. Der Weihrauch, die Priester in ihren langen Gewändern, die Wandlung, das ganze Klingeling. Dass ich mit meiner Großmutter dort gebetet habe, fand ich normal. MeinVater hat das dann unterbunden und mich mit in die evangelische Kirche geschleppt, obwohl er mit der gar nichts am Hut hatte.
    E NSIKAT: Aber wenn es gegen die Katholiken ging …
    H ILDEBRANDT: Ja natürlich.
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