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Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Titel: Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)
Autoren: Peter Ensikat , Dieter Hildebrandt
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»Ach, das hat sich doch erledigt!«Darauf ich: »Für mich nicht! Ich will alles, was ich in Bonn gesagt habe, auch vertreten können.« Eine Woche später komme ich ins Kulturministerium, und da empfängt mich ein Hauptabteilungsleiter, den ich schon lange kannte, und der sagt zu mir: »Du glaubst doch nicht, dass ich jetzt mit dir das Gespräch führe, zu dem die mich verdonnert haben.«
    H ILDEBRANDT: Ein freundlicher Abteilungsleiter!
    E NSIKAT: Dachte ich auch. Im Kulturministerium werden sie langsam vernünftig, habe ich gedacht. Dabei hätte ich spätestens jetzt wissen müssen: Mit der DDR ist es aus. Das Durchstellen funktionierte nicht mehr. Unten taten sie nicht mehr, was sie sich oben ausgedacht hatten.
    H ILDEBRANDT: Du hast von dieser DDR-Kabarettfamilie gesprochen, die es damals gab …
    E NSIKAT: Und nicht mehr gibt. Wir sind jetzt Konkurrenten.
    H ILDEBRANDT: Das muss eine riesige Umstellung gewesen sein. Eure Kabaretts waren ja staatliche Institutionen, mit Pension, mit Rente …
    E NSIKAT: Ja, wir lebten in jeder Hinsicht in Sicherheit.
    H ILDEBRANDT: Ein Kabarettist mit Rentenbezug, da hätte ich mich totgelacht!
    E NSIKAT: Das gibt’s nun längst nicht mehr. Vielleicht gibt es vereinzelt noch eine geringe Subvention; dass einem Kabarett vielleicht ein Teil der Miete erlassen wird. Mehr aber nicht.
    H ILDEBRANDT: Früher hattet ihr Riesenhäuser. Mit einem Dramaturgen, manchmal sogar zwei …
    E NSIKAT: Drei!
    H ILDEBRANDT: In Magdeburg hatten sie sogar eine Büglerin und ein Bügelzimmer. Sie hatten sechzig Angestellte. Und auf einmal mussten sie das umstellen. Auf einmal mussten sie das ganze Geld selbst verdienen, durch die Zuschauer, die zu ihnen kamen. Da kehrte Normalität ein, könnte man sagen.
    E NSIKAT: Als ich wieder anfing bei der »Distel«, 1990, kam ich zurück in einen Privatbetrieb, der eigentlich gar nicht zu führen war. Ich glaube, wir hatten siebzig Angestellte. Was machst du mit den Leuten? Bei den Darstellern ging es nicht anders, die mussten wir erst mal alle übernehmen. Aber ich weiß nicht, wie viele Beleuchter dort waren, Bühnenarbeiter, Musiker. Das war ein Riesenproblem. Und ich glaube, wir haben es bei der »Distel« relativ gut gelöst, indem wir die Älteren und die Alleinerziehenden zum Beispiel behalten haben, denn die Jüngeren hatten anderswo noch Chancen. Mit einer Anschubfinanzierung vom Senat haben wir Abfindungen bezahlt.
    H ILDEBRANDT: Wurdet ihr dann eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts?
    E NSIKAT: Nein, eine GmbH. Ich wusste gar nicht, was das ist, und auf einmal war ich Gesellschafter.
    H ILDEBRANDT: Wie steht’s überhaupt um deine Verhältnisse, wo bist du noch im Aufsichtsrat? Beim Flughafen vielleicht? Und was ist mit Tantiemen? Du warst doch mal der meistgespielte Bühnenautor …
    E NSIKAT : … der DDR!
    H ILDEBRANDT: Der DDR.
    E NSIKAT: Vor Brecht!
    H ILDEBRANDT: Vor Brecht, Wahnsinn! Und zwar wodurch?
    E NSIKAT: Durch meine Kinderstücke. Wenn ich kein Kabarett mehr machen wollte oder nicht mehr machen durfte, dann habe ich Kindertheater gemacht. Das war meine Freiheit. Und ich habe Kindertheater mindestens so gern gemacht wie Kabarett.
    H ILDEBRANDT: Wenn ich durch die Republik fahre, komme ich immer mal an ein Theater, wo auf dem Spielplan ein Märchen steht, »Frau Holle« oder so, Bearbeitung: Peter Ensikat. Dann denk ich, überall in diesen Märchen steckt noch ein bisschen DDR-Vergangenheit drin.
    E NSIKAT: Natürlich habe ich immer versucht, ob für Kinder oder Erwachsene, etwas über meine Umwelt zu schreiben. Für mich waren auch die Märchen eigentlich Gegenwartsgeschichten. Zum Beispiel »Dornröschen« war für mich ein Stück über ostdeutsche Bildungspolitik. Dieser blöde König: Statt seiner Tochter zu sagen: »Pass auf, hüte dich vor Spindeln«, hat er sie in Dummheit gehalten. Genau so hat die DDR die Kinder auf eine Art beschützt, die sie lebensuntüchtig machte. Dornröschen will raus und darf nicht,weil’s da gefährlich ist. Und dann diese Fee: Ihre Macht beruhte darauf, dass kein Licht reinkommt. Sobald Licht reinkommt, sobald man sehen kann, ist ihre Macht weg. Als wir das fürs Fernsehen produzierten, kam die Schauspielerin, die die Fee spielte, Angelika Waller vom Berliner Ensemble, und sagte: »Das kannst du nur in einem Märchen sagen.«
    H ILDEBRANDT: Dort ließen sie’s geschehen.
    E NSIKAT: Oder bei den »Bremer Stadtmusikanten«, da ging es ja im Grunde um alte Leute und wozu die noch zu gebrauchen
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