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Wie funktioniert die Welt?

Wie funktioniert die Welt?

Titel: Wie funktioniert die Welt?
Autoren: John Brockman , Herausgegeben von John Brockman
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zeigt, dass es nicht möglich ist. Das Entscheidungsproblem war unter Mathematikern wohlbekannt: Es stand an zehnter Stelle auf einer Liste ungelöster Probleme, die David Hilbert im Jahr 1900 der Mathematikergemeinde präsentierte, womit er die Tagesordnung für die mathematische Forschung des 20 . Jahrhunderts zum größten Teil vorgab. Es stellt die Frage, ob man mit einer endlichen Zahl von Schritten einen
mechanischen
Prozess realisieren kann, der darüber entscheidet, ob eine Formel gültig ist oder nicht oder ob eine Funktion sich berechnen lässt. Turing fragte sich zunächst: Was bedeutet eigentlich »mechanischer Prozess«? Seine Antwort: Ein mechanischer Prozess kann von einer Maschine ausgeführt werden. Das liegt doch auf der Hand, oder?
    Dann entwarf er für jede mögliche Formel der Logik erster Ordnung und für jede mögliche rekursive Funktion natürlicher Zahlen eine Maschine; Grundlage war dabei die von Gödel in seinem Unvollständigkeitstheorem nachgewiesene logische Äquivalenz zwischen der Menge der logischen Formeln erster Ordnung und der Menge der natürlichen Zahlen. Tatsächlich können wir mit Turings einfacher Definition für jedes Band eine Reihe von Nullen und Einsen aufstellen und damit die Funktion beschreiben; dann geben wir der Maschine eine Reihe einfacher Anweisungen (Bewegung nach links, Bewegung nach rechts, halt), mit deren Hilfe sie den Beweis für die Funktion aufschreibt und dann anhält.
    Das ist die Universelle Turing-Maschine – universell ist sie, weil sie jede mögliche Symbolkette, die eine Funktion beschreibt, als Input verwenden und den Nachweis als Output ausgeben kann. Füttert man die Universelle Turing-Maschine jedoch mit einer Beschreibung ihrer selbst, hält sie nicht an, sondern erzeugt unendlich weitere Nullen und Einsen. Das ist alles. Die Mutter aller Computer, die Seele des Digitalzeitalters, wurde entworfen, weil man nachweisen wollte, dass sich nicht alles auf eine Turing-Maschine reduzieren lässt. Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als sich unsere Schulweisheit träumen lässt.

Richard Foreman
Eine Frage der Poesie
    Dramatiker und Regisseur; Gründer des Ontological-Hysteric Theater
    Da jede Erklärung nur bedingt gültig ist, von den Umständen eingeschränkt wird und mit Sicherheit irgendwann einer besseren oder vorübergehend bestechenderen Platz machen muss, ist die Lieblingserklärung eigentlich eine Frage der Poesie, nicht aber der Wissenschaft oder Philosophie. Gleichwohl kann ich mich wie jeder andere »verlieben« – eine romantische Verblendung, die entweder vorübergeht oder sich in etwas anderes verwandelt. Aber gerade die
wiederholte
vorübergehende Faszination prägt uns nach und nach, denn in einem gewissen Sinn verliebt man sich immer wieder in den gleichen Typ, und diese Wiederholung definiert und formt den eigenen geistigen Charakter. Als junger Mensch erhielt ich auf diese Weise von meinen
zwei
Lieblingserklärungen, wie ich sie heute nenne, meine Prägung und Orientierung.
    An die Einzelheiten kann ich mich kaum noch erinnern (ich bin natürlich kein Wissenschaftler), aber ich weiß noch, wie ich etwas über Paul Diracs Meer der negativen Energie las, aus dem – durch ein Loch, eine Lücke – das Positron entstand, so dass die Welt, wie wir sie kennen, aufgebaut werden konnte. Ich hoffe, ich habe es richtig wiedergegeben und mich nicht durch eine falsche Darstellung zum Narren gemacht – aber in einem gewissen Sinn würde das auch keine Rolle spielen. Aus diesem Bild, angetrieben von dieser Erklärung, bezog ich meine Energie für die Erkundung einer neuen Form von Theater, mit der ich (womit ich eine Art negative Theologie heraufbeschwöre) versuchte und bis heute versuche, ein Publikum ins Leere zu ziehen, statt es mit dem zu füttern, was es im Zusammenhang mit der »wirklichen« Welt bereits empfindet und bestätigt haben möchte.
Wenig später (das alles spielte sich in den 1950 er Jahren ab) stieß ich auf den zu Unrecht übersehenen Philosophen Ortega y Gasset; er faszinierte mich mit seiner Erklärung, ein Mensch sei keine »ganze Persona« (und das in einer Welt, in der das Mantra lautete, man solle »gut abgerundet« sein), sondern, so seine berühmte Formulierung, »Ich bin ich und meine Lebensumstände« – das heißt, ein gespaltenes Wesen.
    Und welche Ortega’schen Lebensumstände sorgten dafür, dass ich mich von einer Dirac’schen Erklärung verführen ließ? Es hatte damit zu tun, dass ich
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