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Wie funktioniert die Welt?

Wie funktioniert die Welt?

Titel: Wie funktioniert die Welt?
Autoren: John Brockman , Herausgegeben von John Brockman
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dem Zeitalter der modernen Computer, musste Andrew Huxley die Berechnungen viel umständlicher mit einer Rechenmaschine durchführen; zur Berechnung eines einzigen Nervenimpulses brauchte er ungefähr einen Monat.
    Die vier Artikel, die Hodgkin und Huxley 1952 in dem britischen
Journal of Physiology
veröffentlichten, waren mit ihrer detaillierten Analyse der Bewegung von Natrium und Kalium sowie mit der Rekonstruktion der Nervenimpulse von so erdrückender Beweiskraft, dass die wissenschaftliche Welt nahezu augenblicklich überzeugt war. Die Veränderungen der Durchlässigkeit für positive Ionen (aber nicht für negative Elektronen) versetzen die Nerven in die Lage, elektrische Impulse weiterzuleiten; Muskeln können mit ihrer Hilfe Impulse übertragen und damit die Kontraktion in Gang setzen, an den Nerv-Muskel-Verbindungsstellen können Impulse zur Aktivierung der Muskeln übertragen werden, an den Verknüpfungsstellen zwischen zwei Nerven (den Synapsen) überträgt der eine Nerv Impulse, die den anderen aktivieren, Sinnesorgane erzeugen Impulse, die Licht, Geräusche und Berührungen in elektrische Ströme umsetzen, und sowohl unsere Nerven als auch unser Gehirn können funktionieren. Mit anderen Worten: Die Wirkung der Elektrizität, deren Entstehung Hodgkin und Huxley bei Tieren aufklärten, versetzt uns in die Lage, diese Seite zu lesen, über diese Seite nachzudenken, diese Seite in die Hand zu nehmen, unserer Überraschung Ausdruck zu verleihen, über
Edge
-Fragen zu grübeln und alle anderen Dinge zu tun, die mit Bewegung, Wahrnehmung und Denken zu tun haben. Das grundlegende Prinzip – die Bewegung positiv geladener Teilchen – war einfach, aber Gott steckte in den komplexen Details und der eleganten Rekonstruktion.

Timothy Taylor
Warum die Griechen rote Menschen auf schwarze Gefäße malten
    Archäologe, University of Bradford, Großbritannien; Autor von The Artificial Ape
    Eine Erklärung für etwas, das scheinbar keiner Erklärung bedarf, ist etwas Gutes. Noch besser ist es, wenn sie zu weiteren Erklärungen für Dinge führt, die ebenfalls keine Erklärung zu benötigen scheinen. Und zu den besten gehört sie, wenn sie einen richtigen Aufruhr verursacht, weil Akademiker versuchen, aus Eigeninteresse den Status quo angesichts weitreichender Folgerungen zu bewahren. Meine Entscheidung fällt auf die einfache, ungeheuer einflussreiche Antwort von Michael Vickers auf die Frage, warum die alten Griechen kleine rote Figuren auf ihre Gefäße malten.
    Die »rotfigurige Vase« ist geradezu ein Symbol für die Antike. Den Begriff liest man häufig auf Museumsinschriften, aber die Frage, warum die Figuren nicht weiß, gelb, violett oder schwarz waren – auch diese Farben erzeugten die Griechen und verwendeten sie für Keramiküberzüge und Glasuren – erscheint unwichtig. Unter praktischen Gesichtspunkten konnten die Käufer griechischer Keramik die Gefäße mischen und zusammenstellen, ohne sich vor einem Stilbruch fürchten zu müssen, und das Grundprinzip erlaubte es den Töpfern, sich auf ihre wahre Leidenschaft zu konzentrieren: das Erzählen von Geschichten. Der schwarze Hintergrund und die roten Gestalten machen komplizierte Szenen – mythologische, kriegerische, gewerbliche, häusliche, sportliche und ehrgeizig sexuelle – graphisch prägnant. Was sie bedeuten, versteht jeder (aus diesem Grund entziehen Museen die Darstellung von Hetero- und Homosexualität, Gruppensex, Sexualität mit Tieren und
olisbos
[Gebrauch von Dildos] häufig den Blicken der Öffentlichkeit und verbannen sie in wissenschaftliche Sammlungen).
    Vickers hatte die kluge Idee, auf einen Gedanken zurückzugreifen, der schon dem Gelehrten Vitruvius im ersten Jahrhundert v. Chr. bekannt war, und ihn in einen neuen Zusammenhang zu stellen. Vitruvius hatte erkannt, dass viele Eigenschaften griechischer Tempel, die ausschließlich dekorative Zwecke zu haben schienen, Überreste früherer praktischer Erwägungen waren: Kleine Reihen sorgfältig behauener Würfel und Zwischenräume unmittelbar unter der Dachkante waren in Wirklichkeit ein
Skeuomorph
, der formale Widerhall jener Balkenenden und Dachsparren, die an dieser Stelle herausgeragt hatten, als die Gebäude noch aus Holz bestanden. Nach Michaels Ansicht war auch die griechische Keramik skeuomorph: Sie bildete einen billigen Ersatz für das kostbare Metall der Aristokraten. Die roten Figuren auf schwarzem Hintergrund, so seine Argumentation, seien die Nachahmung
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