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Wie Fackeln im Sturm

Wie Fackeln im Sturm

Titel: Wie Fackeln im Sturm
Autoren: Lynsay Sands
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Weib, das einst auf der Burg gearbeitet hatte. Hugh hätte es niemals für möglich gehalten, einmal in eine solch missliche Lage gedrängt zu werden. Er, Sohn eines angesehenen Ritters und Erbe eines Grafentitels, sollte keine adlige Dame, sondern ein dahergelaufenes Bauernmädchen heiraten, das womöglich nicht mehr gelernt hatte, als Kühe zu melken? Nein, dazu würde es nicht kommen. Abermals verspannte sich sein ganzer Leib vor Zorn. Die Hände ballten sich zu Fäusten und konnten es kaum abwarten, der alten Vettel die Kehle zuzudrücken. In diesem Augenblick aber vernahm er ein Singen. Es war die Stimme einer Frau, hell und klar und so lieblich wie ein Krug Met an einem heißen Nachmittag.
    Alles um ihn herum schien sich zu verlangsamen; sein Zorn ebbte ab, sein Denken und sein Herzschlag setzten aus, sogar der Raum trat in den Hintergrund. Lucan und die Hexe saßen reglos da; eine Fliege, die zuvor um seinen Weinbecher gekreist war, landete nun auf dem Rand und blieb dort sitzen, als ob auch sie der Stimme lauschte, die allmählich näher kam.
    Als die Tür hinter ihm geöffnet wurde, tauchte die Nachmittagssonne die düstere Behausung in ein warmes, helles Licht, bis eine Gestalt sich in den einfallenden Lichtkegel stellte. Der bezaubernde, glockenhelle Gesang der Frau erstarb augenblicklich.
    „Oh! Wir haben Besuch.“
    Hugh hörte, wie Lucan vor Staunen nach Luft rang. Verwundert drehte er sich zu der lieblichen Stimme um und schaute wie gebannt in Richtung Tür.
    Ein Engel. Gewiss, es konnte nichts anderes sein. Nur Engel erstrahlen in dieser goldenen Pracht, dachte Hugh, als er die hell umrandeten Umrisse einer weiblichen Person erblickte. Als sie dann die Tür verließ und an die Seite der alten Frau trat, sah er, dass der goldene Schimmer bloß vom Sonnenlicht herrührte, welches sich in ihrem üppigen Haar verfangen hatte. Und was für eine Pracht ihr Haar war! Ihre vollen, wallenden Locken schienen aus purem Gold zu sein.
    Nein, kein pures Gold, entschied er. Zwei anmutige Zöpfe leuchteten heller als Gold und waren hin und wieder von roten Strähnen durchwirkt. Haare wie aus Sonnenstrahlen gewebt, in denen ein Feuer lodert, schwärmte er im Stillen. Das übrige Haar fiel ihr leuchtend und in dichten Wellen bis über die Hüfte, hinab zu den Kniekehlen. Nie zuvor hatte Hugh eine solche Erscheinung gesehen. Zuerst war er von ihrem berauschenden Anblick derart gefesselt, dass er weder ihr Gesicht noch ihre Gestalt wahrnahm, als sie der alten Vettel einen liebevollen Kuss auf die Wange drückte. Als sie sich dann jedoch aufrichtete und Hugh zuwandte, entging ihm der kühne Ausdruck ihrer wachen, hellgrauen Augen nicht. Sein Blick fiel auf ihr Lächeln, das ihre vollen, geschwungenen Lippen umspielte, und er merkte, dass er unwillkürlich schluckte.
    „Ihr müsst mein Verlobter sein.“
    Diese Worte rüttelten Hugh wach. Hatte er eben noch ihre Schönheit bewundert, so musterte er nun mit grimmiger Miene das einfache und geflickte Kleid, das sie trug. Es hing wie ein Sack an ihr herunter. Sie sah wie ein Mädchen aus dem Dorf aus, zwar wie ein hübsches Dorfmädchen, aber immer noch wie eine einfache Magd. Wohingegen er ein Lord war, der es nicht nötig hatte, sich an eine einfache Frau von unbedeutender Abstammung zu binden. Sie zur Frau zu nehmen käme nicht infrage, obgleich sie gewiss eine reizende Geliebte abgeben würde.
    „Gold ist Gold, ob es nun tief im Dreck vergraben ist oder die Krone eines Königs ziert“, sagte die Alte unvermittelt.
    Bei dieser Bemerkung runzelte Hugh die Stirn und ärgerte sich, dass die Hexe andeutete, seine Gedanken zu kennen. Viel mehr verdross ihn allerdings die Bedeutung ihrer Worte, die er für gänzlich unpassend hielt.
    Als er darauf nichts erwiderte, legte das Weib den Kopf schief und betrachtete ihn. Dann hob sie den Arm und legte der jungen Frau eine Hand auf die Schulter. „Wir brauchen mehr Knoblauch, Kind. Für die Reise.“
    Die junge Frau nickte, nahm einen kleinen Korb und verließ lautlos die Hütte.
    „Ihr werdet sie heiraten.“ Es war eine einfache, aber unmissverständliche Aufforderung.
    Hugh wandte sich wutentbrannt der Hexe zu, erstarrte jedoch, als er sah, dass sie seinen leeren Weinbecher in Händen hielt. Sie schaute auf die kleine Lache, die sich am Boden des Gefäßes gesammelt hatte. Schlagartig entsann er sich der Fähigkeiten der alten Frau, und ein Schauer lief ihm über den Rücken. Es hieß, dieses Weib sähe die Zukunft im
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