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Wie es Euch gefaellt, Mylady

Wie es Euch gefaellt, Mylady

Titel: Wie es Euch gefaellt, Mylady
Autoren: Jillian Hunter
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hoch. Er konnte sich kaum vorstellen, dass so ein Ereignis in der klatschsüchtigen Londoner Gesellschaft lange ein Geheimnis bleiben könnte. Aber an ihm sollte es nicht liegen, er war ohnehin verschwiegen. „Ich behalte es für mich.“
    „Das weiß ich.“ Russell warf ihm einen spöttischen Blick zu. „Hat sie dir nicht auch mal einen Schuss in die Schulter verpasst?“ Er lachte laut. „Mein Gott, das hätte ich beinahe vergessen. Was für ein Anblick. Du lagst im Dreck, kreidebleich wie ein Gespenst, und Julia glaubte, sie habe dich getötet. Im ersten Moment dachte ich, zwischen euch beiden sei etwas ganz anderes im Gange. Ich war rasend vor Eifersucht. Es sah beinahe so aus, als liege sie auf dir.“
    Heath schwieg. Die Bilder hatten sich unauslöschlich in sein Gedächtnis eingebrannt. Lehm, Schmerz, Blut. Julia halb über ihm liegend. Der Blick ihrer klaren grauen Augen. Ihre üppige verführerische Figur. „Ich erinnere mich, dass du dich halb totgelacht hast.“
    „Ich glaube, an jenem Tag fasste ich den Entschluss, sie zur Frau zu nehmen, falls ich überhaupt je heiraten würde.“
    Heath blickte mit unbeweglicher Miene in den Ballsaal hinunter und entdeckte eine weibliche Gestalt, halb hinter einer Säule verborgen. Er sah nur ihre Ballrobe, nicht ihr Gesicht. Aber etwas an ihrer Haltung weckte sein Interesse. Was hatte sie vor? Eine Art Versteckspiel? „Mit diesem Gedanken warst du vermutlich nicht allein. Alle unverheirateten Männer warfen Julia Hepworth damals begehrliche Blicke zu.“
    „Nur du nicht.“ Russell stützte sich mit dem Ellbogen auf die Balustrade. Das Kerzenlicht des Kristalllüsters erhellte eine Hälfte seines Gesichts, die andere Hälfte lag im Schatten. Halb Held, halb Schurke. Er war ein Mensch mit Fehlern und Schwächen, das wusste Heath. Russell hatte nicht das Privileg einer vornehmen Erziehung genossen wie die Boscastles. Er hatte sich praktisch aus der Gosse hochgearbeitet und schwer um seinen Erfolg gekämpft. Und er war ein wahrhaftig tapferer Soldat. „Julia und du, ihr konntet euch nie ausstehen, habe ich recht? Aber das ist ganz natürlich. Ihr seid eben grundverschieden.“
    „Ich habe und hatte nichts gegen Julia.“
    „Aber natürlich hattest du etwas gegen sie. Das kannst du doch ruhig zugeben. Sonst hättet ihr zwei euch nicht so angestrengt bemüht, euch aus dem Weg zu gehen. Julia zwang mich sogar, mit ihr den Platz zu tauschen, damals beim Abendessen, nur um nicht mit dir reden zu müssen. Und dann erschien sie gar nicht. Am nächsten Tag reiste sie ab, und ich verlor sie aus den Augen. Zumindest so lange, bis ihr Ehemann die Güte hatte, sich bei einem Aufstand in Indien abknallen zu lassen.“
    Heath schüttelte den Kopf. Die Zeit hatte es gut gemeint mit Russell, seine etwas schwammigen jungenhaften Gesichtszüge waren kantigen männlichen Linien gewichen. Nicht zuletzt betonte die Augenklappe sein Ansehen als todesmutiger Kriegsheld, verlieh ihm eine Verwegenheit, die auf Englands vornehme Damenwelt unwiderstehlich wirkte. Bei aller zur Schau gestellten Mannhaftigkeit aber war Russell derselbe sympathische Bursche von früher geblieben.
    Er hatte Heath einst das Leben gerettet und würde es vermutlich bedenkenlos wieder tun. Trotz seiner Fehler war er ein mutiger und aufrechter Mann.
    Heath nickte einem Bekannten zu, der zu ihm heraufwinkte. Er hätte wissen müssen, dass der Tag kommen würde, an dem Russell eine Gegenleistung von ihm forderte. Aber in seinen kühnsten Träumen wäre er nicht auf den Gedanken gekommen, Julia Hepworth könne etwas damit zu tun haben.
    Zu seiner Verblüffung musste er feststellen, dass seine Gefühle für sie nichts von ihrer Macht, dieser bittersüßen Qual, eingebüßt hatten. Er hatte gehofft, die Erinnerung an sie sei unter den Schichten der Erfahrungen und Erlebnisse seiner Vergangenheit begraben. Keineswegs wollte er daran erinnert werden, was er verloren hatte.
    „Da wir uns so schlecht verstehen, besteht doch umso weniger Grund, Zeit miteinander zu verbringen.“
    Heath wartete auf Antwort, während er zerstreut die Tanzpaare beobachtete, die sich anmutig zur Musik im Saal drehten. Er spürte, wie Russell ihn musterte, seine Strategie überdachte. Offenbar hegte er keinen Verdacht, dass damals zwischen Julia und Heath etwas vorgefallen war. Vielleicht ließ sein übersteigertes Selbstbewusstsein auch nicht zu, sich vorzustellen, seine zukünftige Braut könnte Zärtlichkeiten mit einem seiner Freunde
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