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Wie du befiehlst

Wie du befiehlst

Titel: Wie du befiehlst
Autoren: Kerstin Dirks
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schluckte, wollte den Gedanken lieber nicht zu Ende führen.
    Ein Arzt kümmerte sich um sie, empfahl ihr, sicherheitshalber eine Nacht im Krankenhaus zu verbringen, aber den Stress, den die Überfahrt bedeutete, wollte sie sich nicht zumuten. Außerdem wollte sie in Espens Nähe bleiben. Er hatte sein Leben riskiert, um sie zu retten. Sie würde ihm ewig dankbar sein.
    In der Ferne hörte sie das Geräusch der Polizeiboote, die den Diener ans Festland zurückbrachten, um ihn dann hoffentlich für lange Zeit wegzusperren. Auch der Arzt und die zahlreichen Gäste verließen die Insel. Die meisten hatten nur am Rande mitbekommen, was geschehen war. Und aus Angst, ihre Identitäten könnten gelüftet werden, hatten sie einen weiten Bogen um die Polizei und jede Art von Befragung gemacht.
    Â»Ich verstehe noch immer nicht, warum er das getan hat«, sagte Andrew, der nun auch die ganze Geschichte kannte.
    Sie saßen im Wohnzimmer beisammen. Espen und sie in dicke Decken gehüllt. Dampfende Teetassen auf dem Tisch. Andrew saß im Sessel, Serena stand am Fenster, und die fremde Frau, die sich als Sandrine vorstellte, hatte auf der Lehne von Andrews Sitz Platz genommen. Melissa wusste nicht, woher ihr Exfreund und Sandrine sich kannten, aber es herrschte eine spürbare Vertraulichkeit zwischen ihnen. Andrew lächelte sie zärtlich an.
    Â»Er war verliebt. In Serena. Er wollte, dass sie glücklich ist«, erklärte Espen vage. Er schien selbst nicht ganz sicher, ob er Alberts wirre Gedanken verstand. »Dieses Glück sah er offenbar bedroht.«
    Â»Ich habe von alldem nichts gemerkt«, warf Serena ein und fuhr sich über die Stirn. »Wenn ich gewusst hätte, was in ihm vorgeht, ich hätte doch etwas gesagt.«
    Â»Niemand konnte das ahnen. Liebe kann manchmal wahnsinnig machen.« Sandrines Blick glitt bei diesen Worten zu Espen. »Hat Albert auch … Laure …« Was immer sie sagen wollte, sie konnte es nicht aussprechen, und ihre Augen schimmerten verdächtig.
    Espen aber schüttelte den Kopf. »Du kennst die Geschichte. Ich habe sie dir erzählt. Deine Schwester brach alle Brücken hinter sich ab. Sie ging fort. Aus freien Stücken. Niemand von uns weiß, warum sie das tat, noch, wohin es sie zog.«
    Â»Das ist eure Version!«
    Melissa sah den Schmerz in Sandrines Blick. Warum sagte ihr Espen nicht, was er beobachtet hatte? Dass Laure mög­licherweise einen anderen Mann gefunden hatte. Wollte er aus Rücksicht auf Serena weiterschweigen? Da fiel ihr plötzlich das Buch ein. Das Foto, das sie darin gefunden hatte. Und die Nachricht, die sie nicht verstand.
    Â»Entschuldigt mich einen Augenblick.«
    Melissa befreite sich aus der Decke. Aber ihre Beine waren schneller als ihr Kreislauf, und während sie zur Treppe eilte, wurde ihr schwindelig. Sie musste sich am Geländer abstützen, um nicht zu fallen. Sofort erhoben sich alle, um ihr zu helfen, aber sie schüttelte rasch den Kopf.
    Â»Geht schon. Ich muss es einfach langsam angehen.«
    Sie holte das Foto aus ihrem Zimmer und brachte es Sandrine. »Das habe ich gefunden. Leider ist mein Französisch nicht so gut.« Respektive nicht mal vorhanden.
    Sandrine zog skeptisch die Stirn kraus, dann nahm sie das Foto an sich und las die Zeilen. Plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf, und ihre Hand fing an zu zittern. Sie lachte leise, Tränen liefen ihr über die Wangen.
    Â»Sie lebt«, flüsterte sie aufgelöst. »Sie lebt.«
    Â»Was schreibt sie denn?«, wollte Andrew wissen. Er legte den Arm um Sandrines bebenden Körper.
    Sandrine aber war gar nicht in der Lage zu antworten. Sie lachte und weinte, schüttelte den Kopf, und dann erhob sie sich, ging zu Serena, die noch immer am Fenster stand, weit ab von den anderen, als wäre sie eine Aussätzige.
    Â»Es ist auch eine Nachricht für dich«, sagte Sandrine.
    Serena hob eine Braue. »Sie war die ganze Zeit in diesem Haus, und ich habe sie nie gesehen?«
    Â»Das Foto war in dem Buch versteckt, das ich gerade lese. ›Venus im Pelz‹. Vielleicht wollte jemand nicht, dass du die Nachricht bekommst?«, mutmaßte Melissa.
    Sandrine reichte Serena das Foto, und in dem Moment, in dem Serena die Zeilen las, veränderte sich auch ihr Gesicht. Zum ersten Mal, seit Melissa Serena kannte, strahlte sie. Und sie wirkte schön.

Epilog
    Zweieinhalb Wochen
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