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Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
Autoren: Will McIntosh
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ständig, Gefühle zu haben, die man einfach nicht hat, und gerät schließlich in eine existenzielle Krise, denn irgendwann ist man überzeugt, nicht nur diesen einen Menschen nicht lieben zu können, sondern überhaupt nicht liebesfähig zu sein. In dieser Situation befand Sophia sich mit Jean Paul, und daher hatte sie in ihrem Herzen Platz für mich.
    Die dritte Möglichkeit ist, dass keiner der beiden Partner richtig verliebt ist. Das führt zu einem schönen Gleichgewicht, man ist sich einig, keiner braucht zu kämpfen, und keiner fühlt sich als Verlierer oder hat ein schlechtes Gewissen. Allerdings ist man immer etwas bedrückt. Wenn man anderen Menschen in die Augen schaut und dort die eigene Stumpfheit gespiegelt sieht, kommt man kaum umhin, sich zu fragen, warum man sich so eine Beziehung ausgesucht hat. Es ist, als hinge man am Valium-Tropf. Diese Beziehungen waren immer meine Spezialität gewesen, und ich verstehe eigentlich gar nicht, warum.
    Dann gibt es noch einen vierten Typ. Man ist wahnsinnig in eine Frau verliebt, die genauso wahnsinnig in einen selbst verliebt ist. Das ist ein perfektes Gleichgewicht, die Harmonie aller Energien. Diesen Beziehungstyp wünschen wir uns alle– er bringt uns ins Hier und Jetzt und hält uns auch dort. Wir möchten nirgendwo anders sein. Das Grundrauschen des Lebens verstummt. Bevor ich Sophia kennenlernte, hatte ich so eine Beziehung noch nie erlebt, und allmählich kam mir schon der Verdacht, dass so was ins Reich der Sagen und Legenden gehörte und ich wahrscheinlich eher einem Yeti begegnen würde als einer Frau, die mich genauso liebte wie ich sie.
    » Wir müssen los«, sagte Sophia. Sie griff wieder hinter sich auf den Rücksitz und übergab mir eine weitere Plastiktüte. » Heb dir das gut auf, bis du es brauchst.«
    Es war ein weißes Oberhemd mit einem limonengrünen Schlips, in Plastikfolie gehüllt und mit Stecknadeln auf Pappe geheftet. » Wenn du mal ein Vorstellungsgespräch hast.«
    Ich klebte noch von der Limo, die ich vor einer Stunde ins Gesicht bekommen hatte, und am liebsten hätte ich über diese absurde Idee gelacht, aber ich wollte nicht undankbar erscheinen.
    » Und nimm dich vor der Immigrationspolizei in Acht«, sagte Sophia, als sie sich auf dem Highway einfädelte. » Obdachlose Amerikaner werden jetzt zusammen mit illegalen Einwanderern in Dritte-Welt-Länder deportiert.«
    » Das ist nicht dein Ernst«, sagte ich.
    » Angeblich eine Vergeltungsmaßnahme, weil die armen Länder ihre Bürger ermutigen, hierherzukommen. Und die Rechten unterstützen diese Aktion natürlich.«
    » Typisch«, sagte ich.
    » Außerdem müsst ihr Rincon umgehen– da lynchen sie Leute, besonders Fremde.«
    » Mist. Wir hatten da einen Tauschpartner.« Unsere Liste mit zuverlässigen Kontaktadressen schrumpfte immer weiter. Entweder wurde es in der Umgebung für uns zu gefährlich, oder sie gaben dieses Geschäft ganz auf.
    » Oh je.« Sophia bremste, als wir uns meiner Sippe näherten. Neben unserem Lager stand mit blinkendem Rotlicht ein Streifenwagen. Ich überredete Sophia, gleich umzukehren, gab ihr einen Kuss auf die Wange und bedankte mich für ihre Geschenke. Die letzten Meter legte ich zu Fuß zurück. Die ganze Sippe hatte sich vor einem rothaarigen Polizisten mittleren Alters versammelt.
    » Was wir hier tun, ist nicht verboten«, sagte Cortez gerade. » Die Energie von vorbeifahrenden Wagen verpufft doch sonst nur. Wir belästigen niemanden. Wir versuchen bloß, auf ehrliche Weise unseren Lebensunterhalt zu verdienen! Seit wann ist das verboten?«
    » Aber Landstreicherei ist hier in Metter verboten«, erklärte der Polizist. » Ihr müsst weg.«
    » Aber wohin denn?«, fragte Cortez. » Wir haben keine Wohnungen.«
    » Das ist nicht mein Problem. Ihr müsst das Stadtgebiet verlassen.« Er zeigte nach Westen, den Highway entlang. » Sechs Meilen in die Richtung. Da könnt ihr eure Zelte wieder aufbauen.« Bevor noch mehr Protest kommen konnte, machte er auf dem Absatz kehrt und marschierte zu seinem Streifenwagen zurück.
    » Metter ist gesperrt für euch, Herrschaften«, bemerkte er noch, bevor er die Wagentür schloss. » Zigeuner verbreiten Krankheiten.«
    Wir packten zusammen und machten uns auf den Weg. Jim und Carrie waren mit den Fahrrädern an der Reihe, wir anderen gingen zu Fuß. Zum Glück waren Wolken aufgezogen, und es hatte sich etwas abgekühlt.
    » Wir brauchen einen Plan«, sagte Cortez und hob seine freie Hand. » Dieses ziellose
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