Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
Autoren: Will McIntosh
Vom Netzwerk:
mitbrachte.
    Einer nach dem anderen verabschiedeten wir uns von ihm. Als ich an der Reihe war, nahm ich Cortez fest in die Arme. » Du bist wie ein großer Bruder zu mir gewesen«, sagte ich. » Du hast auf mich aufgepasst und mir gezeigt, was ich brauchte, um klarzukommen. Wenn du nicht gewesen wärst, wären wir jetzt alle tot.«
    Cortez drückte seine Wange an meine. » Jetzt bring mich bitte nicht zum Flennen«, wisperte er mir ins Ohr. Wieder hielt ich ihm die Pistole hin, und diesmal steckte er sie in seinen Gürtel.
    Wir schauten zu, wie Cortez sich seinen Seesack auf die Schulter wuchtete, sich noch einmal umdrehte und dann im Bambus verschwand.
    Mit den Tränen kämpfend wandte ich mich an die anderen. » Er schafft es«, sagte ich. » Irgendwie kriegt er das hin.« Und dann konnten wir es nicht weiter aufschieben. Wir wandten uns dem Tor zu.
    » Ich habe Angst«, sagte Phoebe. Ihre Hand war kalt.
    » Ich auch.«
    Die Musik hörte auf, und im Tal wurde es ganz still.
    » Wir erleben den Anfang von etwas Neuem mit– das Jahr Null«, sagte ich.
    » Und es sind gute Menschen, ehrlich und freundlich«, fügte Jeannie hinzu.
    » Verdammt, in dem Speisezelt werden wir was zu essen kriegen, und das dreimal am Tag«, sagte Colin. » Nie wieder Hunger, nie wieder Käfer.«
    In einem Psychologieseminar auf dem College hatte ich gelernt, dass jemand, der bei einem Pferderennen auf ein Pferd setzt, noch zuversichtlicher ist, dass dieses Pferd siegen wird, sobald er die Wette abgeschlossen hat. In dieser Situation befanden wir uns.
    Während wir auf das Tor zugingen, erkannte ich, dass ein Teil von mir schon eine ganze Weile gewusst hatte, auf welches Pferd ich setzen würde. Schließlich wollten wir überleben. Und wenn das nur auf diese Weise ging, war die Entscheidung klar.
    Außerdem fühlte es sich gut an, das Gewicht der Pistole nicht mehr im Hosenbund zu spüren.
    Wir erreichten das Tor und baten den Wachmann, Sebastian holen zu lassen. Ich holte tief Luft. Auf in die Zukunft. Phoebe drückte meine Hand, und ich erwiderte ihren Händedruck.
    Als Sebastian unsere Gesichter sah, kam er auf uns zugerannt, umarmte uns der Reihe nach und wisperte, wir hätten die richtige Entscheidung getroffen. Seine Augen leuchteten, und sein Blick war ein wenig wild.
    Er führte uns durch das Tor, und diesmal sah ich die Stadt mit anderen Augen. Sie würde mein Zuhause werden, auch wenn ich diese Vorstellung im Moment noch sehr befremdlich fand.
    » Hier herein.« Sebastian schob eine Tür aus gelbem Bambusrohr auf. Wir traten in eine große Halle mit hohen, schmalen Fenstern, um die weizengelber Stoff drapiert war. Das vordere Ende der Halle war eckig, das hintere abgerundet. Ein Mann und eine Frau begrüßten uns.
    » Diese fünf hier kommen heute zu uns«, sagte Sebastian. » Es sind Freunde von mir. Wir kennen uns schon sehr lange.«
    Ich dachte daran, wie Cortez im Bambus verschwunden war, und plötzlich überkam mich Panik. Konnten wir sechs es nicht doch gemeinsam schaffen? Konnten wir nicht eine Strategie entwerfen, um da draußen zu überleben?
    Ein paar Wochen würden wir es vielleicht noch schaffen, aber länger nicht. Ich dachte an Sophia und wurde unendlich traurig. Sie hätte hier bei uns sein sollen, in Sicherheit. Wahrscheinlich war sie inzwischen tot. Hoffentlich war sie schnell gestorben. Vielleicht durch einen Schuss.
    » Fertig?« Die Frau legte mir eine Hand auf den Rücken und schob mich sanft auf eine Kabine mit einem Vorhang zu. Da drinnen erwarteten mich eine Ampulle mit Blut und eine sterile Kanüle.
    Ich blieb stehen und sah mich nach Phoebe um. » Wir möchten zusammen reingehen.« Phoebe nickte.
    Jeannie, die auch gerade zu einer Kabine geführt wurde, blieb ebenfalls stehen. » Wir auch«, sagte sie.
    Ihr Begleiter lächelte. » Klar. In die Kabinen passen auch zwei. Oder zweieinhalb.« Er strich Joel über das kahle Köpfchen.
    Die Frau holte einen Stuhl aus einer anderen Kabine, dann führten die beiden Colin und Jeannie hinter den Vorhang. Als Colin an mir vorbeiging, stieg mir sein vertrauter, stechender Geruch in die Nase, der Geruch eines Mannes, der sich lange nicht gewaschen hatte. Für die Leute hier mussten wir alle stinken– es war schon erstaunlich, dass sie stets so freundlich lächelten und nie angewidert die Nase verzogen.
    Phoebe und ich blieben in respektvoller Entfernung stehen und warteten ab, bis wir an der Reihe waren. Wir hörten Murmeln aus der Kabine, dann einen leisen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher