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Wie die Tiere

Wie die Tiere

Titel: Wie die Tiere
Autoren: Wolf Haas
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hat.
    «Wie heißt der Hund eigentlich?», hat er den Schmalzl noch schnell gefragt.
    «Evita.»
    «Evita?»
    «Ja, darum hab ich ja auch das Lied auf dem Handy», hat der Schmalzl erklärt, «
Don't cry for me, Argentino
. Das muss bei mir alles seine
corpory identity
haben.»
    Die Evita hat dem Schmalzl das singende Handy gereicht, wirklich ganz ein lieber Hund ist das gewesen, aber wahnsinnig starke Halsmuskeln haben unter dem Goldkettchen gezuckt, und der Brenner hat sich jetzt gefragt, ob der andere Hund deshalb nicht mehr am Leben war, weil ihn womöglich die Evita ein bisschen zu fest in den Nacken gezwickt hat.
    «Schmalzl?»
    Sonst hat der Schmalzl nichts ins Handy gesagt. Nicht einmal «Ja», oder «Mhm», kein Wort, er hat nur zugehört. Zwei, drei Minuten lang. Das musst du dir einmal vorstellen, wie blass ein Mensch ist, der zwei, drei Minuten lang ununterbrochen blasser wird. Und damit er besser versteht, hat er mitten im Telefonat sogar die Musik im
White Dog
abgedreht. Das war vorne auf der Bühne natürlich der endgültige Stimmungskiller, frage nicht.
    Nicht einmal zum Beenden des Gesprächs hat der Schmalzl ein Wort gesagt. Da hat der Brenner noch geglaubt, das ist eben wieder die zuhälterische Wortkargheit. Wortlos hat er das Handy in die Besteckschublade gelegt. Und das hätte den Brenner natürlich schon stutzig machen müssen, dass er es in die Schublade legt und nicht der Evita zurückgibt.
    Und aus der Schublade hat er so eine silberne Automatikwaffe genommen, weil Besteck haben sie nicht viel gebraucht im
White Dog
, ein paar Löffelchen für die Drinks, das war alles, jetzt hat die Automatikwaffe noch schön Platz gehabt. Eine russische, nicht registriert, die ist einmal von einem Lastwagen gefallen, und der Schmalzl ist zufällig gerade vorbeigekommen.
    Die Evita hat ein bisschen traurig geschaut, dass sie das Handy nicht zurückkriegt, aber nicht gebellt. Die Evita war eins a abgerichtet. Der Brenner wirklich alles andere als ein Hundenarr, das muss ich laut und deutlich sagen. Aber die Evita hat ihm gefallen.
    Vielleicht ist ihm das auch nur im Nachhinein so vorgekommen. Weil das ist schon ein bisschen in seiner Natur gelegen, immer Mitleid mit den Benachteiligten. Und du darfst eines nicht vergessen. Der Schmalzl hat mit seiner silbernen Automatikwaffe auf die Evita gezeigt, so wie vielleicht ein Kind mit der Spielzeugpistole auf einen Hund zeigt, und bevor der Brenner und die Evita auch nur Zeit zum Erschrecken gehabt hätten, hat er abgedrückt, so wie vielleicht ein Kind mit der Wasserpistole einen Hund anspritzt, nur hat er sie eben nicht angespritzt, sondern, also man muss schon fast sagen, durchsiebt.
    Wie das Magazin endlich leer war, ist es auf einmal sehr still geworden. Nicht einmal die Kartenspieler haben mehr Karten auf den Tisch geschnalzt. Und von der Bühne haben sie nur mehr heruntergestarrt, das war heute eine verkehrte Welt im
White Dog
. Dann hat wieder das Handy in der Besteckschublade geläutet. Oder besser gesagt, die Melodie.
Don't cry for me, Argentino
.
    Aber der Schmalzl hat nicht reagiert. Der Brenner hat den Eindruck gehabt, dass der Schmalzl nicht recht begreift, warum ihm die Evita sein Telefon nicht bringt.
    Und nur damit irgendwas gesagt wird, hat der Brenner gefragt: «Schlechte Nachrichten?»
    Und der Schmalzl hat vollkommen verständnislos die Sauerei betrachtet, die er angerichtet hat, und mit seiner ein bisschen zu hohen Stimme gesagt: «Damit hat das überhaupt nichts zu tun.»
     

drei
    Jetzt wieder das mit der Gleichzeitigkeit. Das Besondere an Sachen ist meistens nicht die Sache an sich. Oft wird es erst haarig, wenn zwei Sachen zusammenkommen. Du gehst bei Rot über die Kreuzung, keine besondere Sache. Aber wenn genau gleichzeitig ein besoffener Reisebus-Chauffeur mit 150 um die Kurve biegt, besondere Sache.
    Du wirst sagen, so ein Zufall ist das auch wieder nicht, dass der Schmalzl genau gleichzeitig mit dem Brenner über die Hundekekse geredet hat, wo der Tierstadtrat im Augarten seine Rede vor den Tierliebhabern geschwungen hat. Da sind ja in Wien noch hunderttausend andere Dinge gleichzeitig passiert, da hat der Schustergeselle seine Schuhe genäht, da hat der Arbeitslose seinen Fernseher lauter gestellt, da hat der Schülerlotse mit der Kelle gewinkt, da hat der Bundespräsident sich gekratzt, und und und! Vollkommen richtig, aber pass auf, was ich dir sage.
    Der Tierstadtrat ist mit seiner Rede viel schneller fertig gewesen als der
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