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Wie die Tiere

Wie die Tiere

Titel: Wie die Tiere
Autoren: Wolf Haas
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Schmalzl mit seinen Erklärungen. Während der Schmalzl sich mit dem Brenner unterhalten hat und die Evita noch ganz süß durch das
White Dog
gehuscht ist, ist im Augarten schon wieder langsam Normalzustand eingetreten. Da und dort vielleicht ein Pensionistenhäufchen, das sich über die ideale Polizeimethode unterhalten hat, vielleicht ein bisschen auf der rabiateren Seite, das kann schon sein, aber früher oder später versteht der Schwerhörigste das geheimnisvolle Flüstern der Bäume: Schau, dass du heimkommst zu deinem Fernseher.
    Die Spielplätze heute sowieso leer, weil wenn die Hundebesitzer anmarschieren, trauen sich die Eltern nicht aus dem Haus. Da sind ja unsere Eltern nicht so dumm, dass sie die Zusammenstöße extra provozieren, sondern eben Zurückhaltung, und machen wir es nicht wie in Irland oben, wo die einen unbedingt aus dem Haus gehen müssen, wenn die anderen ihren Feiertag haben.
    Jetzt war der Augarten mitten am Nachmittag auf einmal so menschenleer, dass das Seelische seinen großen Auftritt gehabt hat, frage nicht. Es ist so ruhig geworden, dass man nur noch die Bewässerungsanlage gehört hat und die Blätter, die der Föhn gebeutelt hat, und die Krähen. Weil die sind zu Tausenden in schwarzen Wolken vom Flakturm hochgestiegen, das hätte man jetzt schon als schlechtes Vorzeichen werten können, wenn man abergläubisch gewesen wäre.
    Abergläubisch und pessimistisch. Aber die Manu Prodinger natürlich das Gegenteil von abergläubisch und pessimistisch. Der hat das Positive regelrecht bei den Augen herausgeschaut, und vor lauter Freude über die vielen Spenden hat sie mitten im Stand-Abbauen zum Horsti gesagt: «Schau, ein Schmetterling!»
    «Schau, die Manu Prodinger!», hat der Schmetterling mit einer ganz dünnen Stimme gesagt.
    Der Horsti hat angefressen den Informationsstand mit der Aufschrift «Tierfamilie» zusammengepackt, und der Schmetterling, der davongeflattert ist, hat noch einmal gesagt:
    «Schau, die Manu Prodinger!»
    Die Manu hat nur den Kopf geschüttelt. Sonst war der Horsti die Liebenswürdigkeit in Person, aber heute schon den ganzen Tag so kindisch, und jetzt hat er auch noch für den Schmetterling den Bauchredner spielen müssen.
    Ich möchte ein gutes Wort für den Horsti einlegen. Seit Monaten ist er Spenden sammeln gegangen, Schwedenplatz, Kärntnerstraße, Mariahilfer Straße, überall, und die Manu immer nur an der Arbeit interessiert, nie am Horsti. Die hat ihn schon ganz schön leiden lassen, das muss ich zugeben. Weil zwischendurch, wenn er resigniert hat und der Manu gar zu still geworden ist, hat sie den Horsti immer wieder ein bisschen gelockt, aber dann sofort wieder: Kollegen brauchen Grenzen, und eigentlich interessiere ich mich nur für Schmetterlinge. Ich muss noch einmal betonen, über die Manu lasse ich nichts kommen, aber da könnte man manchmal schon Aggressionen kriegen, wenn man so einem Luder zu lange zuschaut. Jetzt ist der Horsti eben langsam in die kindische Phase gekommen, sprich Schmetterlingsstimme.
    Dabei war der Horsti ein Mann, nach dem sich die alten Damen im Augarten umgedreht haben. Fast zwei Meter groß und ein kantiges Gesicht, Siegfried von der Vogelweide nichts dagegen.
    Und ich muss sogar sagen, bei aller Liebe zur Manu, das Rot der Tierfamilie-Uniformen ist ihm besser gestanden als ihr. Knallrot ist ja eine Farbe, die nicht jedem passt. Der Stand war im selben Rot lackiert, so ein kleiner tragbarer Kiosk ist das gewesen, eigentlich ein besserer Bauchladen, aber eben die Gestaltung hoch professionell, genau dasselbe Rot wie die Windjacken, genau derselbe weiße Schriftzug «Tierfamilie». Und sogar die Informationsbroschüren, die sie dort aufliegen gehabt haben, dasselbe Rot, und überall das Firmenmotto drauf: «Familie ist das Wichtigste.»
    Da hat wirklich eins zum anderen gepasst, und der Horsti und die Manu haben auch ideal zusammengepasst. Das war ja gerade ihr Erfolgsrezept. Der Horsti für die alten Damen, die Manu für die alten Deppen. Aber der Horsti leider nicht professionell genug, und der hat es unbedingt kompliziert machen müssen.
    Heute hat er die Manu sogar ihren Teil vom Stand tragen lassen, also er die Platten, sie das Gestell. Weil sonst der Horsti immer Packesel, aber heute den ganzen Weg vom Augarten bis zum Schwedenplatz: Trag deinen Krempel selber. Leider hat ihr das gar nichts ausgemacht, die Manu ein unkompliziertes Mädchen wie aus dem Bilderbuch, von diesem Kärntner See, wo die ganzen
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