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Wie die Tiere

Wie die Tiere

Titel: Wie die Tiere
Autoren: Wolf Haas
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ernst geschaut, quasi männlich. Aber wenn du natürlich «Paris» sagst, dann sieht man beim «i» deine Schneidezähne, auch wenn du in deinem ganzen Leben nicht lächelst. Da sind die «i»-Laute ja wahnsinnig gefährlich. «London» überhaupt kein Problem, «New York» auch kein Problem, aber «Paris» ist in der Hinsicht verhext. Jetzt ist dem Brenner aufgefallen, dass der Schmalzl eine ganze Reihe blitzsauberer Kronen im Mund gehabt hat, aber keinen eigenen Zahn weit und breit.
    Das ist eben der Eintrittspreis, da gibt es oft brutale Rivalitäten zwischen den kleinen Zuhältern, das ist ja nicht wie bei den großen, wo man sich zusammenredet, schlimmstenfalls lässt der große Zuhälter in seiner Zeitung ein bisschen kritisch über den Rivalen berichten, aber er schlägt ihm deshalb nicht die Zähne aus, so was macht man nicht, ist auch eine Frage der Erziehung. Und der Bildung. Ich sage immer: Erziehung und Bildung, beides sehr wichtig, und der Schmalzl hat sich eben mit seinen Manager-Ratgebern hinaufrackern wollen in diesen Bereich, wo man die Zähne behalten darf.
    «In Wien haben wir natürlich auch unser
Black Cat
, ist zwar eine Bar und kein Club, aber ich wollte mir keine Schwierigkeiten einhandeln.»
    «Schwierigkeiten» ist auch so ein Wort, wo man die Zahnkronen gut sieht, jetzt hat der Brenner sofort begriffen, was der Schmalzl mit Schwierigkeiten meint.
    «Zuerst hab ich mir gedacht, nehme ich statt
Black Cat
eben
White Cat
, weil heute lassen sich ja die Puppen gern blondieren, nicht nur am Kopf, verstehst du, und da passt dann
White Cat
auch wieder, in dem Sinn.»
    «Sogar besser, weil es zeitgemäßer ist.»
    «Damit hat das überhaupt nichts zu tun.»
    Der Brenner hat sich langsam gefragt, was nach Meinung vom Schmalzl etwas miteinander zu tun hat.
    «Aber
White Cat
hat es auch schon gegeben», hat der Schmalzl geseufzt.
    «Und
Red Cat

    «
Red Cat
hat mir nicht gefallen. Und
Blue Cat
hat wieder das andere Problem gehabt, dass man kein Tier haben kann.»
    Der Brenner muss ein bisschen fragend geschaut haben, weil der Schmalzl hat jetzt auf den ausgestopften Hund neben sich gedeutet.
    «Hast du schon einmal irgendwo ein Tier mit einem blauen Fell gesehen?»
    «Ich hab geglaubt, es hat nichts mit Tieren zu tun?»
    «Schau», hat der Schmalzl angefangen wie ein genervter Nachhilfelehrer, «im
Black Cat
in der Heinestraße unten haben sie ja wirklich eine schwarze Katze. Die streunt da immer ein bisschen herum, und das ist so eine Art Markenzeichen.» Und jetzt hat der Schmalzl seine Zahnkronen gezeigt, obwohl dann gar kein «i» gekommen ist, sondern reine Begeisterung, wie er gesagt hat: «Ein lebendes Markenzeichen. Das gefällt der Kunde. Das kann sie streicheln und kraulen, und nächstes Mal kommt die Kunde gerne wieder.»
    Weil da gibt es auf der ganzen Welt die Geheimsprachen, und in Wien bist du erst bei den richtigen Geschäftskreisen dabei, wenn du «die Kunde» sagst. Früher immer das ewige Problem, «der Kunde» ist ein schönes Wort, «die Kundschaft» auch ein schönes Wort, jetzt was machen wir da, und in so einem Fall Kompromiss immer die beste Lösung, sprich: «die Kunde».
    Der Brenner hat das natürlich nicht so wissen können, er war ja aus Puntigam, wo das Bier her kommt, jetzt hat er sich gewundert, dass der Schmalzl «die Kunde» sagt, obwohl in seinem Geschäft doch vor allem der Kunde eine Rolle gespielt hat. Und da sieht man wieder einmal, wie man sich die Sachen oft falsch zusammenreimt, weil der Brenner hat jetzt überlegt: Vielleicht will ein Zuhälter, dass alles mit «die» geht, was er über den Tisch zieht.
    «Heute bin ich froh, dass wir
Dog
und nicht
Cat
heißen. Das ist eine Sympathie, wie sie eine Katze bei der Kunde gar nicht auslösen kann.»
    Der Brenner wäre neugierig gewesen, woran der ausgestopfte Hund gestorben ist, quasi totes Markenzeichen. Er hat sich aber gedacht, ich werde es früh genug erfahren. Für Altersschwäche hat er irgendwie noch zu jung ausgesehen. Aber da kann man sich ja wahnsinnig täuschen, zum Beispiel die zwei Männer vorne auf der Bühne haben für Altersschwäche wieder leicht alt genug ausgesehen, und was machen sie? Treiben sich in so einem Club herum, furchtbar, wenn du mich fragst.
    «Wirtschaftspsychologie! », hat der Schmalzl gesagt, «da gibt es Bücher, das glaubst du gar nicht.»
    «Bei der Polizei haben wir auch psychologische Weiterbildung gehabt.»
    Unter uns gesagt, da war der Brenner sogar bei den Besseren
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