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Wie die Libelle in der Wasserwaage

Wie die Libelle in der Wasserwaage

Titel: Wie die Libelle in der Wasserwaage
Autoren: Almut Irmscher
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natürlich auch nicht schlecht ist. Außerdem sind wir recht oft bei ihm zu Gast. Wir haben ja keinen Pool, dafür ist einfach kein Platz, seit ein Teil unseres Gartens zur Restaurantterrasse geworden ist. Und Cora planscht so gerne im Wasser! Bestimmt lernt sie bald schwimmen, sie kann es ja schon fast.
    Heinz hat eine neue Baufirma gegründet, natürlich mit tatkräftiger Unterstützung durch Gianni. Er heißt nun auch gar nicht mehr Heinz. Das ist ja auch ein schrecklicher Name. So spießig! Jetzt heißt er Rupert und kommt aus Venezuela. Gianni hat da zusammen mit Maria Pilar und deren diplomatischen Beziehungen was gedreht. Für die Aufenthaltserlaubnis hat Gianni gesorgt. Und Heinz-Rupert hat inzwischen ganz passabel Italienisch gelernt.
    Gianni hat ihn auch in die einschlägigen Kreise eingeführt. Dagegen sei der Kölsche Klüngel ein armes Waisenkind, meint Heinz. Jedenfalls kann er sich vor Aufträgen kaum retten. Erst jetzt hat er ein ehrgeiziges Hochhausprojekt in Neapel gestartet.
    Gianni kommt mindestens zweimal wöchentlich in unser Restaurant. Wir haben ja schließlich eine Geschäftsbeziehung. Meist kommt dann auch Heinz-Rupert und wir verbringen alle zusammen einen vergnügten Abend. Nachdem ich die Vergangenheit überwunden habe, ist mir Gianni gar nicht mal so unsympathisch. Wir sind im Grunde Freunde geworden. Deshalb stört es mich auch nicht, wenn er ab und zu einen neuen Begleiter mitbringt. Er hat mich nämlich wissen lassen, dass er eigentlich schwul ist. Oder zumindest ein bisschen bi.
    Sein Privatleben ist mir im Grunde auch ziemlich einerlei. Er wohnt jetzt bei seinen Eltern in einem alleinstehenden Landhaus bei Sorrent, ein Riesending mit gigantischem Pool und tollem Blick auf den Golf von Neapel und den Vesuv. Dass er bei seinen Eltern eingezogen ist, verwundert mich nicht sonderlich, Italiener leben nämlich gerne bis ins hohe Alter bei ihrer Mama. Italienische Männer geben sich ja meistens als Machos, in Wirklichkeit sind sie unselbständige kleine Jungs, die an Mamas Rockzipfel hängen und nur nach außen hin die große Show machen. Alles nur heiße Luft.
    Außerdem fährt Gianni ein für unsere Gegend viel zu großes Auto, einen BMW X5, ein Statussymbol für den beachtlichen Aufstieg in der Karriereleiter, den er in den letzten Jahren hingelegt hat und eine für jedermann unübersehbare Manifestation des starken Mannes, der er gerne wäre. Und weil ihm das Fahren mit dem dicken SUV vor allem in der Dunkelheit zu beschwerlich ist, hat er einen Chauffeur. Wenn er bei uns im Restaurant ist, wartet der Chauffeur meistens vorne an der Bar, trinkt Espresso und sieht fern. Seit Anfang 2013 hat er einen neuen. Es hat mich nicht sonderlich überrascht, muss ich sagen, dass es Mario ist. Wir haben ein paar Worte miteinander gewechselt, Mario hatte die Animationssache irgendwann satt und ist zurück in seine Heimatstadt Salerno gegangen, auch, weil das Heimweh ihn überwältigte. Innerhalb der Familie hat man ihm dann schnell und unbürokratisch eine neue Arbeit besorgt. Schön für ihn.
    Die Kapazität unseres Restaurants haben wir ungefähr verdoppelt, aber wir sind trotzdem jeden Abend ausgebucht. Die neuen Räume sind wirklich toll geworden. Heinz-Rupert hat sogar darunter eine beachtliche Tiefgarage in den Fels schlagen lassen, was sehr klug war, hier gibt es nämlich ständig große Parkplatzprobleme. Und außerdem haben wir jetzt überall Doppelverglasung. Dank modernster Isolierungstechnik lassen sich sogar die Winter aushalten. Die Solarmodule auf dem Dach sind auch nicht schlecht. Sie sparen uns eine Menge Stromkosten und helfen dazu noch im Winter der Heizung auf die Sprünge. Und Sparsamkeit ist ja eine löbliche Sache. Spare in der Zeit, dann hast du in der Not , sagte meine Großmutter. Ich achte deshalb darauf, genug auf die hohe Kante zu legen.
    Wir haben natürlich entsprechend viel Personal einstellen müssen, dreißig Leute aus dem Dorf arbeiten jetzt für uns, die Putzkräfte und Küchenhilfen mitgerechnet. Das ist ganz schön teuer, schafft uns aber auch Freiräume. Tafari und ich machen nur noch die Oberaufsicht. Maria Pilar und Francesco lassen es sich aber nicht nehmen, täglich im Restaurant zu arbeiten und vor allem zu kochen. Sie lieben es beide, es ist ihr Lebensinhalt. Maria Pilar spricht manchmal von ihrer Heimat Venezuela. Es sei das Land mit den reichsten Ölvorkommen der Erde. Trotzdem habe man letztens das Toilettenpapier rationieren müssen, weil nicht genug
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