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Widerstand ist zwecklos

Widerstand ist zwecklos

Titel: Widerstand ist zwecklos
Autoren: Kerstin Gier
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gerade mal fünf Wochen verliebt, und schon hatte sie die Schnauze voll.
»Ich bin einfach nicht der Typ Frau, der freiwillig an zweiter Stelle steht«, sagte sie.
Sicher, wer war das schon? Aber ein krankes Kind ist ein wirklich starkes Argument - ich jedenfalls wollte auf keinen Fall die Person sein, die einem kranken Kind den Vater entriss. Jan sprach nicht oft über seine Familie, und ich belastete unsere ohnehin viel zu knapp bemessene Zeit nicht mit neugierigen Fragen. Aus früheren Beziehungen zu verheirateten Männern wusste ich, dass es nur schmerzte, wenn man zu viel über sein »richtiges« Leben und die andere Frau wusste. Und deshalb wollte ich auch gar nicht wissen, ob Jans Frau hübscher war als ich, ob sie längere Beine hatte oder besser kochen konnte - wozu auch? Ich kannte nicht mal ihren Vornamen. Es reichte mir zu wissen, dass sexuell nichts mehr zwischen den beiden lief und dass ich die Frau war, die Jan liebte und mit der er zusammen sein wollte, wenn die Lebensumstände es denn zuließen.
Tante Babette war von dieser Haltung allerdings noch Lichtjahre entfernt. Eifersucht, unbezähmbare Neugierde und Kontrollwahn hatten von ihr Besitz ergriffen, und niemand war darüber schockierter als sie selbst.
»Wenn Karl seine Frau nicht verlässt, ist es aus mit uns. Und wenn ich merke, dass er mich angelogen hat …« Sie sah hinüber zum Bett, wo die Pistole lag, die sie vorhin überraschend aus dem Koffer geholt hatte.
»Denk nicht mal daran!«, sagte ich und unterdrückte den Drang, schreiend aus dem Zimmer zu laufen. Schusswaffen waren mir unheimlich. »Die werfen wir nachher in den See.«
»Jetzt hab dich nicht so.« Tante Babette wandte sich wieder der Kamera zu. »Die hat dein Onkel seinerzeit völlig legal erworben. Und ich hab sie immer dabei, wenn ich auf Reisen bin. Nur zur Abschreckung. Ogottogottogott. Da unten tut sich was. Wenn es diese vollbusige Blondine mit der umwerfenden Perlenkette ist, kann ich für nichts garantieren. Los, los, los! Du musst da jetzt runter! Ich hoffe, du hast dir alle Codewörter gemerkt.«
»Ja, alle vierhundertdreißig«, sagte ich mit einem tiefen Seufzer.
»Elf«, verbesserte mich Tante Babette, deren Sinn für Humor zusammen mit ihrer Gelassenheit verschwunden war. »Es sind nur elf Codewörter. Polokragen, wenn sie überhaupt keine Konkurrenz für mich ist, Baumwollmischgewebe, wenn sie zwar genauso gut aussieht, aber ein völlig anderer Typ ist, Knopfleiste, wenn du sicher bist, dass …«
»Ja doch«, fiel ich ihr ins Wort und warf einen Blick in den Spiegel, aus dem mir eine völlig fremde Person entgegenblickte. Die Perücke saß einwandfrei, aber mir standen weder rote Haare noch Pony, fand ich. »Bringen wir es hinter uns!«
»Dreiviertellänge, wenn meine schlimmsten Befürchtungen wahr werden …«, sagte Tante Babette, als ich schon fast an der Tür war, und da kehrte ich noch mal um, nahm die Beretta vom Bett und warf sie in meine Handtasche. Sicher war sicher.
Das Hotel war ein Fünf-Sterne-Traum, mitten in einem üppig blühenden Garten Eden gelegen, der sich bis hinunter an den See erstreckte und noch schöner aussah als auf den Bildern im Prospekt, mit denen mich Tante Babette als Reisebegleitung geködert hatte. Da ich ihr nicht hatte ausreden können, ihren Karl bis an seinen Urlaubsort zu verfolgen, war ich bereit gewesen, als moralische Unterstützung mitzukommen. Weil ich immer schon mal an den Lago Maggiore wollte. Und weil Jan zur gleichen Zeit mit seiner Familie in Griechenland weilte, wo es für seine Tochter eine spezielle Delfintherapie gab, für die er jahrelang gespart hatte.
Erst als Tante Babette kurz vor Stresa auf dem Parkplatz hielt und mich zwang, die rote Perücke aufzusetzen, hatte mir langsam gedämmert, dass sie sich nicht damit begnügen würde, Karl und seine Frau von weitem zu beobachten … und dass der Erholungseffekt dieses Urlaubs wohl bei null liegen würde.
Natürlich hatte ich protestiert. »Also, das ist jetzt wirklich übertrieben, Tante Babette. Dein Karl weiß doch gar nicht, wie ich aussehe, weshalb soll ich mich da verkl…?«
»Dein Name ist Julia Müller, du bist Apothekerin aus Essen«, unterbrach mich Tante Babette, während sie sich selbst eine braune Lockenperücke über den akkuraten blonden Kurzhaarschnitt stülpte. »Ich bin deine Mutter, Edith Müller, mir gehört die Apotheke.«
»Tante Babette, das ist doch wirklich albern.«
»Mutti!« Tante Babette hätte mit den dunklen Locken gar nicht
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