Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Widerstand ist zwecklos

Widerstand ist zwecklos

Titel: Widerstand ist zwecklos
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
du fragst ihn gleich danach. Dann ist die Stimmung gleich wieder dahin. Du schaffst es immer, dem armen Jungen mit wenigen Worten das Gefühl zu geben, ein Versager zu sein.«
Noch ein verächtliches Schnauben. »Er ist ein Versager, Annelore …«
Den Rest des Satzes konnte ich nicht hören, weil Tante Babette in mein Ohr trompetete: »Worüber reden sie? Ich sehe doch, wie sich seine Lippen bewegen. Gott, der Mann ist so sexy.«
»Ähm … Die Axt im Haus erspart den Zimmermann«, murmelte ich. »Bergsteiger sollte vielleicht zwecks besserem, äh, Klettern das Handy aus der Hand legen.« Ich verstummte, weil der junge Mann an meinem Tisch mich so merkwürdig anschaute.
»Verstehe, verstehe«, sagte Tante Babette eifrig. »Am besten legst du auf und schreibst mir alles per SMS. Nur vorher schnell noch: Wie ist denn die Grundstimmung so?«
»Du bist so ungerecht, Karl! Immer siehst du nur seine Fehler, niemals seine Stärken!«
»Ich würde sagen, da hat jemand Seidenwäsche bei neunzig Grad…«, improvisierte ich, dann drückte ich auf den Aus-Knopf.
»Ich bin nicht ungerecht«, erwiderte Karl. »Ich kann nur seine Stärken nicht wirklich erkennen, Annelore. Er wohnt immer noch bei seinen Eltern, hat keine Frau und keine Kinder und hält es in keinem Job länger aus als drei Monate. Und du machst ihm jeden Morgen sein Bett und wäschst seine Wäsche. Das ist doch nicht normal. Und welcher Mann in seinem Alter möchte noch mit seinen Eltern Urlaub machen?«
Das Handy piepste, Tante Babette grüßte per SMS vom Balkon. Und?
»Andere Väter wären dankbar, wenn ihre Kinder so anhänglich wären.« Annelores Stimme war ein wenig schrill. »Aber du willst den Jungen ja mit Gewalt aus dem Nest schubsen.«
»Ich bitte dich Annelore, der Junge ist siebenunddreißig.«
Zielpersonen zanken sich wie die Kesselflicker, fresse Besen, wenn sie noch Sex miteinander haben. Lass uns bitte abendessen, sterbe vor Hunger!, simste ich meiner Tante und zuckte zusammen, als sich eine Hand auf meinen Arm legte.
Ein Paar braune Augen schauten mich besorgt an. »Der Kellner möchte wissen, ob er Ihnen etwas zu trinken bringen kann.«
»Oh!« Den Kellner hatte ich gar nicht bemerkt. Wegen der Ponyfransen und der dunklen Sonnenbrille war ich praktisch blind. Außerdem war ich mit meinem Lauschposten und der gleichzeitigen Informationsweitergabe an den verrückten Textilmogul dort oben auf dem Balkon ein wenig überfordert. Ich bestellte einen Aperol Sprizz.
Das Handy klingelte erneut, und der junge Mann zog seine Augenbrauen hoch. »Wenn mein Handy im Urlaub so oft klingeln würde, würde ich es in den See werfen, glaube ich.«
»Ich weiß auch gar nicht, was heute los ist«, sagte ich. »Hallo?«
»Bist du ganz sicher?«, keuchte meine Tante.
»Ja, Ba…, Mutti. Ja, ich bin absolut sicher. Vollkommen inkompatibel … diese beiden … äh, Farben … Grün und Blau schmückt die Sau … bin sicher, dass hier keine Perlen mehr … ich ruf dich später noch mal an.«
Die Augenbrauen meines Gegenübers waren noch ein Stückchen höher gewandert. Bestimmt hielt er mich für total gestört.
Obwohl er nun wieder lächelte und mir seine Hand hinhielt. »Ich bin übrigens Alexander Steiner«, sagte er.
»Oh … freut mich. Ich bin … Rosa …« Das Handy klingelte wieder und erinnerte mich daran, dass ich ja gerade gar nicht Rosalie war. »Äh, Julia. Julia Müller, und das ist … ich muss da leider drangehen … Hallo? Ach, du bist es … Textil…mo…tti …«
Jetzt hatten die Augenbrauen beinahe den dunklen Haaransatz erreicht. Der Arme. Wahrscheinlich dachte er, ich sei direkt aus einer Klinik geflohen.
»Nicht flirten! Die Zielpersonen im Auge behalten!«, rief Tante Babette. »Der Sonnenhut steht auf!«
Tatsächlich. Annelore hatte sich erhoben. »Da kommt er ja«, sagte sie und nahm ihren Hut ab.
»Norwegermuster hat außerdem einen sehr schrumpeligen Truthahnhals«, erklärte ich und mied Alexanders Blick, aus Angst, seine Augenbrauen könnten nun ganz verschwunden sein.
Tante Babette kreischte entzückt auf. »Ich kann es sehen! Ich kann es sehen!«
»Na, Gott sei Dank! Apropos Truthahn - ich habe Hunger! Ist die Mission jetzt beendet, bitte?«
»Huhu! Janni-Männlein! Hier sind wir!«
Ich folgte Annelores Blick und erstarrte. Den Mann, der auf uns zukam, kannte ich nur allzu gut.
»Sieh nur, wie stattlich er aussieht«, sagte Annelore stolz, und da hatte sie recht. »Ich bitte dich inständig, Karl, verdirb uns heute nicht den Abend mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher