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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe
Autoren: Die Gabe
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verzweifelten Kraft, als die Lichter wieder flackerten und das Heulen der Sirene ohrenbetäubend laut wurde.
    »Jeffy!«
    »Nein!«
    Er griff ihre Arme, um sie beiseitezuschieben, und dann passierte alles auf einmal. Schmerz – er begann tief in ihr und begann, nach außen zu drängen, an ihr zu zerren und in ihr zu pochen. Sie hatte das Gefühl, als würde ihr Inneres nach außen gekehrt. Ihr Blick trübte sich. Sie hörte ein klapperndes Geräusch – wie Schritte auf der Treppe, oder war es das Blut in ihren Ohren? Dann hörte sie Ba rufen.
    »Missus, nein!«
    Sie spürte einen Aufprall, der ihr die Luft nahm, spürte starke Arme, die sie aufhoben, sie trugen und dann mit ihr zu Boden stürzten.
    Sylvias Blick wurde wieder klar, als die Schmerzen nachließen. Sie lag auf dem Treppenabsatz der zweiten Etage. Ba lag neben ihr und atmete schwer. Er hatte einen blutigen Verband um seinen Kopf.
    »Missus! Missus!«, rief er und schüttelte sie. »Sind Sie in Ordnung, Missus?«
    »Ja, ich glaube ja.« Sie sah Alan vorbeihinken. Er sah auf sie herunter, und einen Moment lang schien er auf sie zugehen zu wollen, mit einem verwirrten und besorgten Blick auf dem Gesicht. Dann wandte er sich ab, als wäre er von einem unsichtbaren Band gezogen, und verfolgte weiter seinen Weg auf Jeffys Zimmer zu.
    »Alan, komm zurück!«
    »Er muss gehen, Missus«, sagte Ba besänftigend, als er sie zurückhielt. »Sie dürfen ihn nicht aufhalten.«
    »Aber warum nicht?«
    »Vielleicht, weil er dem Jungen schon immer helfen wollte, und vielleicht, weil sich seine Zeit mit dem Dat-tay-vao dem Ende nähert und er seine letzte Aufgabe erfüllen muss. Aber Sie dürfen nicht versuchen, ihn aufzuhalten.«
    »Aber er könnte sterben!«
    »So, wie Sie gestorben wären, wenn Sie sich ihm noch länger in den Weg gestellt hätten.«
    In seiner Stimme lag solch eine Endgültigkeit und in seinen Augen solch eine unerschütterliche Gewissheit, dass Sylvia nicht wagte zu fragen, woher er das wusste.
    Die Lampen gingen wieder aus.
    Sylvia sah den Flur hinunter und erblickte Alans schattenhafte Gestalt, die in Jeffys Zimmer ging. Sie wollte ihm hinterherschreien, er solle nicht weitergehen, sie wollte ihm nachlaufen und ihn festhalten. Aber Ba hielt sie zurück.
    Alan verschwand durch Jeffys Tür. Ein blasser Schein erfüllte plötzlich den Raum und ergoss sich in den Flur.
    »Nein!«, schrie sie auf und riss sich von Ba los. Irgendetwas Furchtbares geschah gerade. Sie wusste es einfach.
    Sie sprang auf die Füße und rannte den Flur hinunter, hielt aber eine Sekunde inne, als der Schmerzens- und Angstschrei eines Kindes die stille Dunkelheit durchbrach.
    Und dann nahm der Schrei Form an.
    »Mammi! Mammi-Mammi!«
    Sylvias Knie schlotterten. Diese Stimme! Gott, diese Stimme!
    Das war Jeffy! Die Lampen flackerten wieder, als sie sich zwang weiterzugehen, durch die Tür und in das Zimmer.
    Im Schein seiner Donald-Duck-Nachttischlampe konnte sie Jeffy erkennen, der auf dem Bett kauerte und sich an die Wand drückte.
    »Mammü«, sagte er, erhob sich auf die Knie und streckte ihr seine Arme entgegen. »Mammü«
    Sylvia stolperte nach vorn, ihr Herz hämmerte, ihr Mund war trocken. Das konnte nicht wahr sein! So etwas geschah nur in Märchen!
    Doch da war er, dieser wunderschöne kleine Junge, der sie ansah, sie wirklich ansah, und nach ihr rief. Halb geblendet von Tränen rannte sie zu ihm und umarmte ihn. Seine Arme schlangen sich um ihren Hals und drückten sie.
    Es stimmte! Er war wirklich geheilt!
    »Oh, Jeffy! Jeffy! Jeffy!«
    »Mammi«, sagte er mit einer klaren, hohen Stimme. »Der Mann hat mir wehgetan!«
    »Mann? Was –?« Oh, Gott! Alan! Sie sah sich hektisch um.
    Und dann sah sie ihn, zusammengesunken auf dem Fußboden wie ein Haufen nasser Lumpen am Fuße des Bettes.
    Und er bewegte sich nicht. Um Himmels willen, er atmete nicht einmal!

 
    AUGUST
     
     
     
    52. Jeffy
     
    Jeffy empfand ein warmes inneres Glühen beim Anblick von Dr. Bulmer. Das war immer so, wenn er ihn sah. Er wusste nicht genau, warum; er wusste nur, dass er diesen Mann liebte, fast so sehr wie seine Mammi.
    Jeffy stand neben seiner Mutter, als Mr Ba Dr. Bulmers Rollstuhl durch die Haustür ins Haus schob.
    Es war einen Monat her, seit der Doktor aus Jeffys Zimmer hinausgetragen und sofort ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Er sah immer noch nicht gut aus, aber besser als in jener Nacht.
    Jeffy würde diese Nacht niemals vergessen. Es war, als hätte sein Leben in
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