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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe
Autoren: Die Gabe
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in ihren Häusern.
    Er kam an eine Kreuzung mit einer größeren Straße und sah ein paar Blocks weiter blinkendes Blaulicht – zwei Streifenwagen und eine Ambulanz. Er betete im Geiste zu seinen Vorfahren, dass die Lichter nicht dem Doktor galten, und fuhr auf sie zu.
    Ba hielt in zweiter Reihe und drängte sich durch die Menge regendurchnässter Zuschauer, um zu sehen, was sie in diesem Sturm nach draußen gelockt hatte. Über die Köpfe hinweg konnte Ba mehrere Sanitäter in der Gasse sehen, die in einen Leichensack die brandigen, vermoderten Überreste eines ehemals menschlichen Wesens stopften. Trotz des Regens roch er einen Hauch von Fäulnis, als ein Windstoß aus der Gasse herüberwehte. Und selbst in dem roten Schein der Blinklichter bemerkte Ba die erschreckende Blässe in den Gesichtern der Polizisten. Der Leichensack wurde zu einem weiteren in den Krankenwagen gehievt. Der Anblick weckte unwillkürlich Kriegserinnerungen aus seiner Heimat.
    »Ein Mord?«, fragte Ba den neben ihm stehenden Mann.
    Er zuckte die Schultern. »Zwei verfaulte Leichen. Jemand muss sie hier abgeladen haben.« Als er zu Ba hinaufsah, wurden seine Augen größer. Er wandte sich um und eilte davon.
    Ein Mann, offensichtlich ein Kriminalbeamter, wölbte seine Hände über den Mund und rief in die Menschenmenge. Der Mann neben ihm versuchte mit einem Regenschirm, sie beide vor den Wassermassen von oben zu schützen.
    »Ich frage Sie zum letzten Mal. Hat jemand gesehen, was hier passiert ist?«
    »Ich habe es Ihnen doch bereits gesagt!«, erwiderte eine verschrumpelte alte Frau von der kleinen Veranda eines Hauses hinter dem Ort des Verbrechens. »Ich habe alles gesehen!«
    »Und wir haben Ihre Aussage aufgenommen«, sagte der Polizist müde, ohne sich umzuschauen. Er verdrehte vor seinem Kollegen die Augen.
    Niemand trat vor. Die Menge begann sich aufzulösen.
    Ba zögerte, unsicher, was er tun sollte. Zwei verfaulte Leichname … zumindest war er sicher, dass der Doktor nicht in einem dieser Plastiksäcke war. Er sollte gehen und die Suche fortsetzen, aber etwas hielt ihn hier.
    Diese alte Frau auf der Veranda. Er wollte mit ihr sprechen.
    Alan lief auf der Auffahrt einer Autobahn entlang. Autos rasten an ihm vorbei; das schmutzige Spritzwasser ihrer Reifen, das sich immer wieder wasserfallartig über ihn ergoss, gesellte sich zu dem Regenwasser von oben und ließ keine trockene Stelle an seinem Körper. Er bemerkte es kaum. Er wusste nicht, wo er war, aber er spürte, dass die Richtung stimmte.
    Er erreichte das Ende der Auffahrt und lief weiter. Blitze erhellten den dunklen Himmel, und Donner übertönte das Dröhnen der vorbeisausenden Autos und Lastwagen. Der Wind peitschte den Regen in seine Augen. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Wenn er sich nicht beeilte, würde er für Jeffy zu spät kommen.
    Ohne nachzudenken, drehte er sich um und lief rückwärts weiter. Aus eigenem Antrieb, fast wie ein Reflex, streckte sich sein Arm aus, und sein Daumen zeigte in seine Zielrichtung.
    Er befand sich an einer Stelle, wo das Wasser besonders hoch stand und die Autos langsam fahren mussten. Ein Auto hielt an, und die Beifahrertür flog auf.
    »Junge, du siehst aus, als ob du eine Mitfahrgelegenheit gebrauchen könntest«, sagte eine Stimme aus dem Wagen.
    Alan stieg ein und zog die Tür hinter sich zu.
    »Wohin wollen Sie denn?«, fragte der pummelige Mann hinter dem Lenkrad.
    Alan sagte nur: »Jeffy.«
     
    Schließlich waren die Leute, der Rettungswagen und die Polizisten alle verschwunden. Nur Ba und die alte Frau auf der Veranda waren übrig geblieben, er in der regnerischen Dunkelheit und sie im Licht unter dem Vordach ihrer Veranda.
    Ba ging zu ihr hinüber und blieb vor den Stufen stehen.
    »Was haben Sie gesehen?«
    Sie keuchte, als sie auf ihn hinab sah. »Wer zum Teufel sind Sie denn?«
    »Jemand, der in seinem Leben schon merkwürdige Dinge gesehen hat. Was haben Sie gesehen?«
    »Das sagte ich bereits der Polizei.«
    Sie seufzte, sah zu der Gasse neben dem Haus und begann zu erzählen.
    »Ich habe den Sturm beobachtet. Ich saß an meinem Fenster und sah hinaus in das Gewitter. Ich sitze immer an meinem Fenster, egal, ob es regnet oder die Sonne scheint. Die meiste Zeit passiert da draußen nicht viel, aber im Vergleich zu meiner Wohnung ist da die Hölle los. So saß ich da also und betrachtete die Blitze, als ich diesen Burschen sah, der die Gasse entlanglief. Er lief komisch, als ob er sich am Bein verletzt hätte oder so was.
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