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Whisper

Whisper

Titel: Whisper
Autoren: Arena
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Fotografenblick, wie Gilbert es immer nannte. Die Frau war nicht besonders groß und ziemlich schlank. Über dem braunen, knielangen Rock trug sie eine hellblaue Strickjacke, ihr sandfarbenes Haar war zu einem Zopf gebunden, und abgesehen von den tiefen Schatten unter ihren dunkelblauen Augen, war sie eine gut aussehende Frau. Ihre zarten Hände waren rau, von harter Arbeit gezeichnet.
    »Na, das scheint sich ja schnell herumgesprochen zu haben.« Lachend streckte Kat der Frau ihre Hand entgegen. »Katharina Thalis ist mein Name. Das hier sind Gilbert Sonden und meine Tochter Nora.«
    »Noa. Ich heiße Noa.« Wütend funkelte Noa ihre Mutter an. Wie sie es hasste, wenn Kat sie mit diesem Namen vorstellte. Nora Gregor hieß die Stummfilmschauspielerin, die in den 20er-Jahren berühmt geworden war und sich Ende der 40erper Selbstmord vom Leben verabschiedet hatte. Kat bewunderte sie glühend, aber gegen ihren Namen hatte Noa sich bereits als Kind gewehrt – nicht nur des Vorbildes wegen, sondern, weil ihr das r zu hart war. Mit elf hatte sie diesen Buchstaben aus ihrem Namen gestrichen und stellte sich seither taub, wenn Kat sie so ansprach.
    »Marie Schumacher.« Die Frau nahm Kats Hand und drückte sie sanft. Noa und Gilbert lächelte sie zu. Noa seufzte erleichtert. Wenn ihr der Name Katharina Thalis etwas sagte, dann ließ die Frau es sich wenigstens nicht anmerken. Aber Noa hatte sich zu früh gefreut, denn jetzt war es der kleine Wirt, der Kat mit offenem Mund anstarrte und dabei fast sein Bierglas fallen ließ.
    »Katharina Thalis. Die Katharina Thalis, das sind Sie?«
    Das Murmeln am Stammtisch wurde lauter. Kat nickte, lachte geschmeichelt und mit einem Satz war der Wirt an ihrem Tisch. Über sein Gesicht ging ein Leuchten. »Ich habe alle Ihre Filme gesehen, ich … also, ich … ich hab sie gar nicht erkannt, ich, das, also …« Ebenso plötzlich, wie der Wirt an den Tisch gekommen war, schien er nun wieder verschwinden zu wollen. Er hatte sich in seinen Worten verfangen, wusste nicht weiter, machte einen Schritt zurück, fast stolperte er. Sein Hals war mittlerweile so gefleckt, als hätte er einen Anfall von Röteln. Und Kat genoss es sichtlich.
    Es war Gilbert, der dem Wirt aus der Patsche half. Er hatte nach der Karte gegriffen, blätterte darin herum und sah den Wirt über die Ränder seiner runden Brille an, die wachen Augen freundlich und mit diesem warmherzigen Gilbertlächeln, das einem sofort das Gefühl gab, sich entspannen zu können. »Sie haben eine so wunderbare Speisekarte, da weiß ich gar nicht, wofür ich mich entscheiden soll. Was können Sie uns empfehlen? Ihren Eierkäs und Erbselkuchen, Röstkartoffeln oder die Pilzpfanne? Für mich klingt alles drei gleich verlockend. Sicher sind die Pilze frisch aus dem Wald, was?«
    Der Wirt nickte erleichtert. »Frisch gepflückt, die Herrschaften, frisch gepflückt, die ersten Sommerpilze: Stockschwämchen, Maronenröhrlinge und Steinpilze. Und unsre Marie ist eine gute Köchin, die macht Ihnen die kleinen Kerlchen vom Feinsten, das können Sie mir glauben.«
    »Also dann.« Gilbert drückte Noa die Karte in die Hand und schob die Brille zurück. »Es ist entschieden. Ich nehme die Pilzpfanne.«
    »Ich nehme Röstkartoffeln mit Spiegelei«, murmelte Noa.
    Kat nahm den Erbselkuchen und der Wirt stürzte in die Küche. Kaum zehn Minuten später kam das Essen. Die Männer am Stammtisch unterhielten sich wieder, aus den Lautsprechern an der Wand drang deutsche Volksmusik.
    Wir habn uns auf den Weg gemacht,
Das große Abenteuer!
Jeder Tag eine Hochzeitsnacht
Jede Nacht ein Freudenfeuer …
    Noa schluckte, als sie ihren Teller sah. Drei Spiegeleier neben einem Riesenberg Bratkartoffeln, wer sollte das alles essen? Noa war schon froh, wenn sie ein halbes Ei und einen Löffel Kartoffeln herunterbekam. Kats und Gilberts Teller war nicht weniger beladen.
    »Um Himmels willen«, rief Kat lachend aus. »Wollen Sie uns mästen?«
    Marie zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Wir können Ihnen den Rest auch gerne einpacken.«
    »Ach, was!« Gilbert hatte sich heißhungrig auf seine Pilzpfanne gestürzt. »Wir schaffen das schon, was Mädels? Und wenn ihr’s nicht schafft, ich spiele heute gern den Mülleimer.«
    »Was heißt hier, heute?« Kat tätschelte ihm den dicken Bauch und zwinkerte dem Wirt, der wieder hinter dem Tresen stand, verschwörerisch zu. »Ab morgen setzen wir ihn auf Diät, einverstanden?«
    Der Wirt lächelte verstört, er wusste
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