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Whisper Island (01) - Sturmwarnung

Whisper Island (01) - Sturmwarnung

Titel: Whisper Island (01) - Sturmwarnung
Autoren: Elizabeth George
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schreibe und erzähle, wie glücklich ich bin, und ihr verspreche, dass ich sie herhole, sobald ich die Möglichkeit habe … Aber wie sollte ich das alles schaffen, wenn ich mich noch nicht mal traute, die Briefe abzuschicken, denn dann hätten sie es erfahren. Außerdem hätte sie die Briefe sowieso nicht lesen können …«
    »Du musst es ihnen erzählen«, sagte Becca. »Dann werden sie Freude finden und sie herholen.«
    »Ich kann es ihnen nicht sagen. Welches Kind würde seine Schwester zurücklassen? Welches Kind würde seine Schwester verleugnen? Hättest du das gemacht? Das hätte keiner gemacht. Sie werden mich hassen. So wie ich mich selbst hasse.«
    Becca schwieg, denn sie konnte diese Fragen nicht beantworten. Was er getan hatte, war schrecklich gewesen, aber er war kein schrecklicher Mensch. Doch er sah sich einer Tatsache gegenüber, die – wie ihre Großmutter immer gesagt hatte – »einem das Herz ausreißt«. Was man einmal getan hatte, konnte man nicht rückgängig machen. Man musste mit den Folgen leben.
    »Derric, du warst verzweifelt«, sagte sie. »Das würde jeder verstehen. Du warst ein kleines Kind. Du wolltest Eltern, die dich lieb haben und sich um dich kümmern, und deshalb hast du es getan. Aber der Mensch, der du heute bist, würde das nicht mehr tun. Dazu wärst du gar nicht mehr imstande.«
    »Woher soll ich das wissen?«, schluchzte er.
    » Ich weiß das«, erwiderte sie.
    Sie nahm ihn in den Arm, und er klammerte sich fest an sie. Sie streichelte ihm den Rücken und legte die Hand auf seinen Hinterkopf. Dann sah sie, wie die Tür aufging.
    Jenn McDaniels kam herein. Aber als sie die beiden sah, hielt sie sofort inne: Derric und Becca umarmten sich. Blanker Hass spiegelte sich auf ihrem Gesicht wider und Becca wusste, dass dieser Hass nicht so bald verfliegen würde.
    Sie verließ den Raum. Vor Jenn konnte sie sowieso nicht weiter mit Derric reden, und Jenns Gesichtsausdruck war anzusehen, dass sie Becca nicht mehr mit Derric allein lassen würde. Also sagte sie ihm, dass sie bald wiederkommen würde, und ging zurück zum Eingangsbereich.
    Da sah sie Sheriff Mathieson mit einem Stapel Zeitschriften hereinkommen. Becca war sicher, dass sie problemlos an ihm vorbeikäme, weil er immer noch nicht wusste, wie sie eigentlich aussah. Aber in diesem Augenblick hörte sie Rhonda Mathieson hinter ihr rufen: »Becca! Du willst doch nicht gehen, ohne dich zu verabschieden.« Und was noch schlimmer war: Danach sprach sie mit ihrem Mann. »Dave, das ist dein geheimnisvolles Mädchen. Das ist Becca King.«
    Becca zuckte innerlich zusammen, sah den Sheriff aber unverwandt an: »Geheimnisvolles Mädchen?«, fragte sie so beiläufig wie möglich.
    Dave Mathieson musterte sie von Kopf bis Fuß. Dann sagte er ohne ersichtlichen Grund: »Pummelig?«
    Becca nahm den Kopfhörer ihrer AUD-Box aus dem Ohr. Wenn es jemals eine ideale Zeit gegeben hatte, um dem Flüstern der anderen zu lauschen, dann war es jetzt. Aber sie hörte nur: dämlich, zu denken … die Jungs von heute spinnen, und versuchte, sich einen Reim darauf zu machen, als sie merkte, dass der Sheriff mit ihr sprach und sie fragte, wo sie die ganze Zeit gewesen sei und ob sie eine Ahnung hätte, was ihre Tante sich für Sorgen gemacht hatte? Daraus schloss Becca, dass Debbie Grieder sie trotz ihrer Zweifel nicht verraten hatte, obwohl sie sich selbst verraten fühlte, weil sich Becca mit Seth Darrow angefreundet hatte.
    »Mal hier, mal dort«, sagte Becca zu Dave Mathieson. »Tante Debbie und ich hatten … Es gab ein Missverständnis wegen eines Jungen …«
    »Wegen Seth Darrow?«, fragte der stellvertretende Sheriff scharf.
    »… aber wir haben es geklärt. Ich wohne jetzt wieder bei ihr.«
    »Im Motel?«
    »In Zimmer 444, so wie vorher.«
    »Ich wusste gar nicht, dass Debbie eine Nichte hat«, wunderte sich Rhonda Mathieson. »Aber man lernt ja nie aus und erfährt immer wieder neue Dinge. Selbst über Menschen, die wir besser zu kennen glauben als uns selbst.«
    Da wurde der Sheriff knallrot. Er sagte zu Becca: »Hat dir keiner gesagt, dass ich dich suche? Hayley Cartwright oder der Darrow-Junge oder Jenn McDaniels?«
    »Ich war ja nicht in der Schule.«
    »Darüber müssen wir auch noch sprechen. Du kannst nicht einfach tagelang die Schule schwänzen. Und weglaufen. Weißt du eigentlich, wo so was hinführen kann?«
    Eigentlich hätte Becca vorsichtig sein müssen, aber das Flüstern des Sheriffs drehte sich um ganz andere Sachen:
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