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Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition)
Autoren: Sandy Kien
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Land?“, fragte sie mit deutlich genervtem Unterton.
    Stefan grinste. Keines der Kids hatte damit gerechnet, dass er deren Lebensgeschichte kennen würde.
    „Ja, auch sie hat ihre Geschichte, eine Eigene, vielleicht nicht ganz Alltägliche, aber die werde ich jetzt nicht erzählen. Ihr werdet sie noch früh genug erfahren.“
    Vorne am Steuer grinste Richi vor sich hin. Schon seit Jahren beförderte er die Kids auf die Six Soul Ranch und nach drei Wochen wieder zum Flughafen Vancouver. Die Sprache verstand er nicht. Daran hatte er sich längst gewöhnt. Aber Janina, die junge Frau am Beifahrersitz, die Begleiterin der Jugend, verstand es ausgezeichnet, hinreißend zu übersetzen. Nicht nur die Worte, sondern auch den Sinn, gewürzt mit entsprechenden Kommentaren. So unterschiedlich die Gruppen in der Zeit ihres Aufenthaltes auch sein konnten. Während sie den Trans Canada Highway hochfuhren, waren sie nahezu alle gleich. Meist nahm die Vorfreude auf das geglaubte, ausgelassene Leben deutlich ab, je mehr sie ins Nirwana fuhren. Gab es dann nur noch Wildnis, Natur, vielleicht einen Elch auf der Straße, oder einen Bären am Waldrand, fragten sich die meisten eher verwöhnten und von sich selbst überzeugten Stadtkinder, die es gewohnt waren, gewaschene Wäsche, ein sauberes Bett in einem eigenen Zimmer, und einen vollen Kühlschrank zu haben, was sie hier verloren hatten. Niemand konnte sich drei Wochen ohne Fernsehen, Internet, Play Station, Zigaretten, Alkohol, Partys, was auch immer diese jungen Menschen als ihren Lebensinhalt betrachteten, vorstellen.
    Dieses Jahr saß Stefan mit im Bus. Er stammte aus München und hatte sich für das Leben auf der Ranch mitten in der Wildnis entschieden. Durch seinen Aufenthalt auf der Ranch vor fünf Jahren hatte er nicht nur die Lebenskurve gekratzt, sondern seinem Leben eine ganz eigene Bedeutung gegeben. Er wollte jenen jungen Menschen helfen, die von ihren Eltern aus demselben Grund nach Kanada geschickt wurden, wie er damals. Genau wie die vielen anderen Kids auch, hatte er sich cool gefunden und so ziemlich alles getan, was verboten gewesen war. Geklaut, geraucht, gekifft und sich geprügelt. Seine Eltern sahen in ihrer Verzweiflung in der Ranch die einzige Chance, wieder einen Zugang zu ihrem Sohn zu finden. Der Weg nach Kanada war für sie damals die letzte Rettung, für ihn ein Neuanfang, eine Neufindung seines eigenen Ichs gewesen. Jetzt war es sein Beruf, und er war verdammt stolz darauf.
    Die hübsche junge Janina mit den blonden, langen Locken warf hin und wieder einen Blick nach hinten. Sie kannte auf dieser Strecke nahezu jeden Stein, und wenn ein Baum fehlte oder durch einen Sturm abgeknickt worden war, dann bemerkte sie es als Erste. Auch sie war keine waschechte Kanadierin, stammte aus Washington, hatte Deutsch studiert und war bei einem Aufenthalt in Hamburg mehr oder weniger „entdeckt“ worden. Sie liebte Kinder, hatte Deutsch und Englisch unterrichtet und war schließlich als Kindermädchen für den kleinen Sohn der Kinskys auf Six Soul angeheuert worden. Aber es kam alles ganz anders. Mittlerweile war sie fixer Bestandteil der Ranch, arbeitete dort, wo sie gebraucht wurde, und ließ es sich nie nehmen nach Vancouver mitzufahren, um die Abholung der Kids mit einem kleinen Einkaufsbummel zu verbinden. Auch wenn sie die Wildnis liebte, manchmal vermisste sie die Stadt, den Stress und die Geschäftigkeit der vielen Menschen. Bei den kleinen Besuchen in Vancouver erinnerte sie sich an diese Zeit, tankte auf, und freute sich wieder auf die Ruhe in der Natur und die Aufgaben auf Six Soul. Meistens war die lange Fahrt von der Ostküste ins Land gedehnt und müßig. Man redete ein wenig miteinander, vertrieb sich die Zeit mit elektronischen Spielen, hörte Musik oder schlief. Doch diesmal vergingen die Stunden wie im Flug. Die Unterhaltung der Kids war angeregt und Stefan erklärte ihnen in rühriger, dramatischer Art ihre nächsten drei Wochen auf Six Soul.
    Es dämmerte bereits, als sie die letzte Teilstrecke in Angriff nahmen. Die Straße war nicht asphaltiert, sondern lediglich geschottert, wodurch viel Staub aufgewirbelt wurde. Der Pick Up verschwand hin und wieder im Dunst des trockenen Schmutzes. Schlaglöcher ließen keine ruhige Fahrt zu, und als sie endlich die Ranch sehen konnten, sehnten sich die Kids danach, sich die Beine vertreten zu können. Der Pick Up, der dem Bus bisher ruhig gefolgt war, schien mit dem unruhigen Weg weit weniger Probleme zu
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