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Werwelt 03 - Der Nachkomme

Werwelt 03 - Der Nachkomme

Titel: Werwelt 03 - Der Nachkomme
Autoren: Robert Stallman
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vermutete, daß sie keine mehr bekommen konnte; in den letzten Jahren war die Frage ziemlich überflüssig geworden, da sie es kaum noch ve r suchten.
    »Geht es dir gut?« fragte Lilly und musterte ihn au f merksam.
    »Ich denk ’ nur gerade an zu Hause«, antwortete Bo und in diesem Moment spürte er ganz schwach den ersten An f lug eines Empfindens in seiner Seite und wußte, daß der Schmerz nun zurückkam. Er legte sich auf dem Bett nieder, die Hände auf den Bauch gedrückt, wartete, daß es wieder einsetzen würde.
    »Du könntest wohl nicht ein paar Aspirin oder so was besorgen«, sagte er, die Augen geschlossen.
    »Es tut mir leid, Bo.« Lillys Stimme kam aus der Du n kelheit seiner geschlossenen Augen zu ihm. »Wenn wir si e gen wollen, dann müssen wir ’ s allein schaffen.«
    »Das hatt ’ ich mir schon gedacht.«
    Er schreckte leicht zusammen, als eine kühle, weiche Hand seine Wange berührte.
    »Hör zu, Bo, ich weiß etwas, was du tun kannst, wenn der Schmerz sehr schlimm wird. Das Tier, unser Freund, hat es mir verraten.«
    Leise und weich fuhr sie fort zu sprechen, während sie seine Stirn streichelte, und obwohl der Schmerz unerbit t lich aufflammte, während sie sprach, hatte er nun wieder diese Ferne, so als schützte ihn ihre Stimme vor seiner vo l len Wucht. Er achtete genau auf ihre Worte, wie immer, wenn sie ihm Anweisungen gab, doch er schien ihr zu la u schen, ohne sich darum bemühen zu müssen, mit seinem ganzen Selbst, nicht nur mit seinen Ohren und seinem Ve r stand.
    »… streckst du den Magen heraus, verstehst du, indem du dich in der Haltung nach rückwärts neigst, die ich dir vor zwei Tagen gezeigt habe. Und dann atmest du ganz kurz, immer durch die Nase, niemals durch den Mund, zehn Atemzüge lang, dann richtest du dich wieder zum Si t zen auf. Hast du das verstanden?«
    Er nickte, froh um ihre Stimme, dankbar für ihr Interesse an ihm, dankbar, daß sie ihn mit ihrer Gewißheit umgab, da er selbst so unsicher war, daß er an dieser Unsicherheit vielleicht sogar sterben konnte.
    »Und du mußt weiter die Formeln hersagen, wie du das bisher getan hast«, fuhr sie fort, und ihre weiche Stimme hüllte sich wie ein schützender Mantel um ihn, der den Schmerz fernhielt. »Aber« – und hier nahm sie sein G e sicht in beide Hände, so daß er die Augen öffnete und sie ansah. Sie war ihm sehr nahe. Er spürte ihren Atem, und er roch süß. Der Schmerz war fern, aber immer noch da. »Aber, wenn du wieder deinen Körper verläßt, Bo«, sagte sie, sehr ernst jetzt und eindringlich, während sie aus ihren tiefgrünen Augen direkt in die seinen blickte, so daß ihm schwindelte, »dann mußt du deinen eigenen Namen sagen und zurückkehren.« Sie schüttelte sein Gesicht leicht in ihren Händen. »Du mußt zurückkehren. Es ist nicht schlimm, den eigenen Körper für ein Weilchen zu verla s sen, aber du mußt sofort zurückkehren.«
    »Ich dachte, es wäre ein Traum«, erklärte Bo mit schw a cher Stimme.
    »O nein, es war Wirklichkeit«, entgegnete Lilly und richtete sich wieder auf, die Hände im Schoß. »Die Zeit, von hier fortzugehen, ist für dich noch nicht gekommen, und in deinem Zustand könnte es geschehen, daß du auf die andere Seite hinübergelangst und dann nicht zurückkehren kannst.«
    Der Schmerz begann wieder in seinen Eingeweiden zu toben, als er an diesen Traum dachte, an das, was er für einen Traum gehalten hatte, an seinen Sohn auf der Wiese, an den Frieden.
    »Ich wollte bleiben.«
    »Du kannst diesen Weg nicht gehen«, sagte Lilly, und ihr Gesicht war jetzt ganz ernst.
    »Wenn ich sterbe, werde ich dann dort hingehen?«
    Sie schwieg so lange, daß ihm bang wurde, daß er Angst bekam, einen solchen Ort, wie den, den er erlebt hatte, könnte es gar nicht geben; Angst, sein Sohn wäre für i m mer dahin, und er selbst würde nur ins leere Grab wandern und verlöschen wie eine Kerze, die ausgeblasen wird. Der Schmerz war schlimm.
    »Das weiß ich nicht«, antwortete sie schließlich. »Aber eines weiß ich gewiß: Wenn deine Zeit noch nicht geko m men ist, wenn du es schaffen kannst und aufgibst, dann ist es schlimm. Mehr weiß ich nicht.«
    »Auch wenn es so schrecklich ist?«
    Er spürte, wie ihm gegen seinen Willen die Tränen aus den Augen quollen. Er wollte nicht, daß sie ihn weinen sah, obwohl er viel weinte, wenn er allein war.
    »Es wird bald besser, Bo«, sagte sie mit Gewißheit. »Komm, ich mach ’ es dir gleich jetzt ein bißchen leichter.«
    »Wie
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