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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
Autoren: Fjodor Dostojewski
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dritten Kapitel Matthäi: ›Johannes wehrete ihm und sprach: Ich bedarf wohl, daß ich von dir getauft werde; und du kommst zu mir? Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Halte mich nicht auf; also gebühret es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen.‹ Als er diese Worte hörte, sagte er zu seiner Frau: ›Hörst du? – Halte mich nicht auf – also werde ich sterben.‹ Er verschied auch tatsächlich nach einigen Stunden.«
    Deutsch von Alexander Eliasberg.

DOSTOJEWSKI von Hermann Bahr

     
    Einer sagt dem anderen nach, Dostojewski sei, so groß er ist, doch zu sehr Russe, um unmittelbar auf uns wirken zu können. Jeder glaubt es seiner Bildung schuldig, das Totenhaus, den Raskolnikow, allenfalls noch die Karamasoff zu kennen, wird aber abgeschreckt durch irgend etwas Fremdes, grauenhaft anlockend Barbarisches darin, vor dem er lieber noch zur rechten Zeit flieht. Es scheint, daß in diesen Werken das Geheimnis einer Nation enthalten ist, das, wer ihr nicht angehört, ja doch niemals erfühlen wird. Dieser Meinung bin ich jetzt durchaus nicht mehr; ich fand, daß es unser aller Geheimnis ist. Auch auf mich hat er anfangs fremd gewirkt, ganz anders, als wir es von unseren Dichtern gewohnt sind. Ich blieb befremdet, solange ich ihn an dieser Gewohnheit maß. Ich war mit ihm vertraut, sobald ich nicht mehr an die Kunst dachte, sondern an mein Leben. Da erinnerten mich seine Gestalten sehr stark; ich wußte freilich lange nicht, woran. Allmählich besann ich mich und es ergab sich, daß sie mich an Menschen meines Lebens erinnerten. Wo war ich nur dieser Menschenart schon begegnet? nicht bloß in Dalmatien, an Lastträgern in Cattaro, an Schiffern und Fischern der Inseln, an Matrosen unseres Lloyd, sondern auch auf dem anderen Ufer, in Malamocco, in Chioggia. Da ist unser alter Freund, der Blinde, der morgens täglich mit seinen Wassertieren nach dem Lido lahmt und in seiner welken Hand ein paar arme Rosen für meine Frau mitbringt, weil er spürt, daß sie ihn freundlich anblickt; und er hat uns mit seinen Gefährten bekannt gemacht, lauter solchen schweigsamen, dankbaren, ergebenen Alten, einer hat Eier, einer Muscheln, einer Münzen für uns, ich darf ihnen aber nichts dafür schenken, da wären sie beleidigt, aber wenn ich ihnen etwas später was schenke, sind sie nicht beleidigt, es darf nur kein Entgelt sein. Wir können nicht viel mit ihnen sprechen, denn die Mundart ist uns fremd, sie selbst aber gar nicht; sie heimeln uns an, ich würde mich ihnen in Leid und Freud lieber anvertrauen als meinen städtischen Freunden, ja mir ist, als hätten wir irgendein tiefes Geheimnis miteinander. Und an der Nordsee fand ich sie wieder, in Holzschuhen klappernd; und tief im Winter ging ich heuer einmal aus der Ramsau über die Schwarzbachwacht nach Reichenhall, den ganzen langen Weg war da kein Mensch zu sehen, bis ich auf einen alten Bauer kam, der trieb sein Pferd, das einen Schlitten mit Säcken zog, ich schloß mich an, der war auch von Dostojewski. Und so fand ich Menschen Dostojewskis in Hallstatt, an den wunderlichen bösen Zwergen mit den großen Kröpfen, fand sie an Bettelmönchen, fand sie an spanischen Landstreichern und Hexen von der Art, die Zuloaga malt; und überall in Erdenwinkeln an Bauern, Handwerkern, Strolchen, Steinklopfern, Kindern und Narren. Alle diese franziskanischen Gestalten, so verschiedener Rassen, so verschiedener Zonen, so verschiedener Vergangenheit und Gegenwart, haben aber das miteinander gemein, daß ihnen gleichsam nur äußerlich ein Individuum angeschrieben oder aufgeklebt ist, keiner ist eigentlich eine Person, er ist nichts als Mensch, in irgendeine allgemeine Form eingerollt; öffnen wir diese, so sind wir gleich in seiner Tiefe, ja gewissermaßen noch tiefer, nämlich im Urgrund der Menschheit, aus dem empor sich sonst dann erst der besondere einzelne Mensch auferbaut. Der fehlt an ihnen, sie sind bloß Menschenstoff, mit irgendeinem Mantel behängt, aber das besondere innere Gerüste, worauf der Kulturmensch so stolz ist, fehlt. Es fehlt auch in den Versen Walt Whitmans; auch sie sind alle bloß Wellen des Meeres, eine verschlingt die andere, es bleibt nichts davon als das Meer. Solche Wellen der Menschheit, von denen uns nichts als die Menschheit bleibt, sind Aljoscha und der Fürst Myschin und der alte Staretz Sossima; an ihnen ist mir zuerst bewußt geworden, daß ich die Welt Dostojewskis schon kannte, von Malamocco und von meinen Bauern her. Merkwürdig war mir aber nun,
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