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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
Autoren: Fjodor Dostojewski
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seines Verstandes ausdrückt, mit den stumm klagenden, wie im Krampfe der »heiligen Krankheit«, der Epilepsie, verzerrten Lippen, mit dem trüben, gleichsam nach innen gekehrten, unaussprechlich schweren Blick der etwas schielenden Augen, der Augen eines Propheten oder eines Besessenen. Was in diesem Gesicht am schmerzvollsten erscheint, ist eine eigentümliche Unbeweglichkeit in der Bewegung, der in äußerster Anspannung aller Kräfte plötzlich zu Stein erstarrte Aufschwung. –
    »... Nun sagt man mir, um mich zu trösten, daß ich wohl noch mehr Kinder haben werde,« schreibt er an Maikow nach dem Tode seiner Tochter Ssonja. »Aber wo ist Ssonja? Wo ist das kleine Geschöpf, für das ich, ohne zu übertreiben, gerne den Tod am Kreuz erleiden würde, damit es nur am Leben bliebe? – Je mehr Zeit darüber vergeht, um so quälender wird die Erinnerung und umso lebendiger steht das Bild der verstorbenen Ssonja vor mir. Es gibt Augenblicke, die ich kaum ertragen kann. Sie hatte mich schon gekannt; als ich an ihrem Sterbetage aus dem Hause ging, um Zeitungen zu lesen und noch keine Ahnung davon hatte, daß sie nach zwei Stunden sterben sollte, verfolgte sie so aufmerksam alle meine Bewegungen und sah mich mit solchen Augen an, daß ich es auch heute noch vor mir sehe, und die Erinnerung wird von Tag zu Tag lebendiger. Nie werde ich sie vergessen, nie wird mein Gram ein Ende nehmen! Und wenn ich einmal ein anderes Kind bekommen sollte, so weiß ich gar nicht, wieso ich es werde lieben können, wo ich die Liebe hernehmen werde. Ich will nur Ssonja.« Er liebt das Kind seines Fleisches nicht nur im Fleische, sondern auch im Geiste, das heißt christlich ; er liebt seine Ssonja nicht um seiner selbst willen, sondern um ihretwillen, als ein selbständiges, unvergängliches und unersetzliches Individuum.
    Unwillkürlich denkt man daran, was Tolstoi einmal zu einem Fremden über seinen treuesten Freund gesagt hat, über seine Gattin Sofia Andrejewna, die ihm ihr ganzes Leben hingegeben, die ihn nicht nur geliebt, sondern auch Mitleid mit ihm gehabt hatte, die während dreißig Jahren für ihn wie eine zärtliche Mutter gesorgt hatte: »Einen Freund werde ich mir unter den Männern suchen, und keine Frau kann mir einen Freund ersetzen. Warum lügen wir unsern Frauen vor, daß wir sie als unsere besten Freunde betrachten? Das ist doch Lüge?« Welch ein kaltes und grausames Wort! Es ist grausam, vielleicht aber unschuldig, gar nicht gehässig und wenn nicht im christlichen, so doch im heidnischen Sinne schön; es drückt die Kälte seines ganzen Lebens aus, die Kälte der unterirdischen Quelle.
    Jedenfalls ist das Feuer Dostojewskis ebenso heilig wie die Kälte Tolstois. Von mir wenigstens kann ich behaupten: wenn ich auch etwas Schlechtes, Verbrecherisches oder Schändliches aus dem Leben Dostojewskis – wenn es darin überhaupt dergleichen gab – erfahren hätte, so würde sich sein Bild für mich nicht verdunkeln und der ihn umgebende Heiligenschein würde nicht erlöschen, denn ich fühle, daß das in ihm lodernde Feuer alles besiegt und geläutert hat. Auch er selbst fühlte in sich die Kraft dieses läuternden Feuers. Es gab ihm seine Lebenskraft und es gab ihm auch den Tod. »Ein inneres Fieber verbrennt mich, jede Nacht habe ich Schüttelfrost und hohes Fieber, ich magere furchtbar ab,« schreibt er noch einige Jahre vor seinem Tode. Strachow berichtet, daß er in der zweiten Hälfte des Jahres 1880, als er gerade die »Brüder Karamasow« beendigt hatte, ungemein abgemagert und erschöpft war. »Er lebte augenscheinlich nur noch von den Nerven, denn sein Körper hatte schon einen solchen Grad von Abgezehrtheit erreicht, daß ihn der erste, geringste Stoß zerbrechen konnte. Am erstaunlichsten war dabei seine Unermüdlichkeit in der geistigen Arbeit.« Im Jahre 1881 erkrankte er an einem heftigen Emphysem, der Folge eines Lungenkatarrhs, an dem er die letzten neun Jahre seines Lebens gelitten hatte. Als er das Nahen des Todes fühlte, wünschte er zu beichten und zu kommunizieren. »In entscheidenden Augenblicken seines Lebens,« erzählt Strachow nach den Mitteilungen von Frau Dostojewski, »pflegte Fjodor Michailowitsch die Bibel, die er in seiner Sträflingszeit bei sich gehabt, aufs Geratewohl aufzuschlagen und die ersten Zeilen der aufgeschlagenen Seite zu lesen. So tat er es auch jetzt: er schlug die Bibel auf und bat seine Frau, ihm die aufgeschlagene Stelle vorzulesen. Es war der vierzehnte Vers aus dem
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