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Werke

Werke

Titel: Werke
Autoren: Adalbert Stifter
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Gerlint.
    »Wir werden gemeinsam schalten und wirken«, sagte Dietwin.
    »Und nur in der Liebe wetteifern«, erwiderte Gerlint.
    »Du hast an dem ersten Tage deines Hierseins die Plätze unserer Kindheit besucht«, sagte Dietwin.
    »Du bist auch an diesen Plätzen gewesen«, sprach Gerlint.
    »Du bist lange auf der Stelle gestanden, wo –« sagte Dietwin.
    »Wo ich nach dir gestochen habe. Es war deine Macht, Dietwin, über mich«, sprach Gerlint.
    »Ich bin auf die Mauer des Gartens eurer Erziehungsanstalt geklettert«, sagte Dietwin.
    »Du bist es gewesen?« rief Gerlint.
    »Ich,« antwortete Dietwin, »kein Mann sollte seine Gedanken zu dir erheben.« »Als du«, sagte Gerlint. »Und nun sind unsere Gedanken ein Gedanke«, sprach Dietwin.
    »Sie sind ein Gedanke«, sagte Gerlint.
    »Und alles muß rasch ins Werk gesetzt werden«, sprach Dietwin.
    »Wie es dein Wille ist, Dietwin«, entgegnete Gerlint. »Nun den Kuß als Bräutigam«, sagte Dietwin.
    »Als Braut«, antwortete Gerlint.
    Und sie gaben sich den Verlobungskuß.
    »Erlaube mir, dich zu geleiten«, sagte Dietwin.
    Sie gab ihm den Arm, und er geleitete sie zu der Tür ihrer Wohnung.
    Dann ging er zur Tante, küßte ihr die Hand, und sagte: »Meine hochverehrte, geliebte Tante, ich hätte eine Bitte an dich und den Oheim.«
    »Soll ich meinen Bruder, der eben von mir ging, nachdem wir von unserer Reise gesprochen hatten, wieder holen lassen?« fragte die Tante.
    »Wenn es dir genehm ist, so tue es«, antwortete Dietwin.
    Die Tante schellte nach einem Diener, und ließ durch denselben ihren Bruder zu sich bitten.
    Als er gekommen war, und als ihm Dietwin die Hand gereicht hatte, sagte sie: »Unser Neffe will uns um etwas ersuchen.«
    Dietwin sagte: »Hochverehrte Tante und hochverehrter Oheim. Meine Bitte geht dahin, ob es euch gelegen sei, mich morgen um eilf Uhr in dem großen Saale von Biberau in einer feierlichen Angelegenheit zu empfangen. Wenn ihr ja sagt, fahre ich sogleich nach Weidenbach, und fahre morgen wieder herüber.«
    »Sprich, Bruder«, sagte die Tante.
    »Du bist die Herrin des Schlosses und empfängst die Besuche,« antwortete der Oheim, »und wenn ich als Gast auch mit empfangen darf, so sage ich: es ist mir jede Stunde gelegen.«
    »So komme, Dietwin, du wirst uns schon in dem Saale finden«, sagte die Tante.
    »Ich danke, und verabschiede mich«, sprach Dietwin.

    Er küßte der Tante die Hand, reichte dem Oheime seine Rechte, und verließ den Saal.
    Wenige Augenblicke darnach sah man ihn durch das Tor des Schlosses hinaus fahren.
    Des andern Tages um eilf Uhr saß die Tante, in schwarze Seide gekleidet, auf einem Prunkstuhle, der einen kostbaren Teppich unter sich hatte, in dem großen Saale von Biberau. Ihr Bruder saß auf einem zweiten Prunkstuhle neben ihr. Am unteren Ende der großen Treppe stand Adam mit Dienerschaft in Prunkkleidern. Als noch die Klänge der Turmuhr zur eilften Stunde tönten, fuhr der schwere Prachtwagen Weidenbachs durch das Tor herein. Der Kutscher saß im Silbergewande auf dem Bocke. Zwei Jäger standen silberschimmernd auf dem Brette. Der Wagen hielt, und Dietwin stieg aus demselben. Adam und die Diener geleiteten ihn die Treppe hinan zu dem großen Saale. Seine zwei Jäger folgten ihm bis zur Saaltür. Dort blieben sie stehen. Adam öffnete die Flügeltüren des Saales, und Dietwin trat allein in denselben.
    Dann schlossen sich wieder die Türen, und Dietwin ging zu der Tante und dem Oheim vorwärts, blieb vor ihnen stehen, verneigte sich, und sprach: »Ich, Dietwin von der Weiden, bringe vorerst meiner hochverehrten Tante, Gerlint von Bergen, gebornen von der Weiden, meinen ehrfurchtsvollen Gruß, und so auch meinem hochverehrten Oheim, Dietwin von der Weiden, meinen ehrfurchtsvollen Gruß, und bitte beide um geneigtes Gehör und um Vergunst einer Bitte.«
    Die Tante sagte darauf: »Ich grüße dich auch, Dietwin von der Weiden, geliebter Neffe, und weil es mein Schloß ist, in dem du die Bitte stellest, so antworte ich zuerst, und sage: wir hören dich, sprich deine Bitte aus.«
    Der Oheim sagte: »Auch ich grüße dich, geliebter Neffe, und weil ich in dem Schlosse meiner Schwester auch eine Antwort zu geben die Ermächtigung habe, so sage ich: wir hören dich, sprich deine Bitte aus.«
    Nach diesen Worten sagte Dietwin: »Weil ihr mir beide Gehör gebt und Vergunst einer Bitte, so werbe ich in Zucht und Recht um die Hand Gerlints von der Weiden, der Nichte meiner hochverehrten Tante, der Frau von
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