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Werke

Werke

Titel: Werke
Autoren: Adalbert Stifter
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Weg nach Weiden begaben, weiß ich, daß jetzt etwas in ihrem Herzen ist, können fast alle, die ihr näher sind, bemerken, und Auguste, mit welcher ich vor einiger Zeit von der Sache sprach, hat, wenn sie sich auch scheute, dich zu nennen, doch fast mit Bestimmtheit auf dich hingedeutet. Gerlint ist unstät trotz ihrer Ordnung, sie ist viel ernster, als Mädchen ihres Alters zu sein pflegen, ihre Beschäftigungen führt sie mit einer Art Übertreibung, sie reitet sehr heftig, als triebe sie eine Empfindung, die sie, wie einen unerfüllbaren Wunsch, mit Gewalt unterdrücken möchte, denke, was sie dir für ein kostbares Geschenk zu deinem letzten Geburtstage gab, sie mußte die Ersparungen einiger Jahre darauf verwendet haben, bedenke dann ihren unbegreiflichen Abscheu vor allen jungen Männern, und bedenke endlich, daß sie sehr oft in den großen Saal geht, und lange, lange dein Bild anstarrt.«
    Darauf sprach der Oheim: »Ja, es muß von dem geredet werden, wovon geredet werden muß. Höre mich. Unser Neffe Dietwin hat auch eine Liebe im Herzen. Lasse mich zu Ende reden. Er ist ebenfalls unstät, er treibt ebenfalls seine Geschäfte nicht mehr folgerichtig, wie in der ersten Weidenbacher Zeit, er überstürzt alles. Erst ritt er noch viel heftiger als Gerlint, und jetzt fährt er mit seinen Pferden wie verrückt, er hat sich geschlagen, das ist nun wohl sicher, und kein Mensch weiß, weshalb, er haßt die schönsten Mädchen der Welt, und die andern auch, dafür kommt er sehr oft nach Biberau, er hat dir zu deinem letzten Geburtstage das Bild dieses Schlosses gegeben, ein Bild um hohen Preis, das Bild deines Wohnortes, und er geht ebenfalls sehr oft in den Saal von Biberau, und schaut lange, lange dein Bild an.«
    Der Oheim schwieg.
    Die Tante sprach »Das wäre ja – wenn es wäre – das ist – ich weiß es nicht, sage es mir, das wäre merkwürdig.«
    »Ich habe ihn beobachtet, ich bin in dem Saale gewesen, und es ist so«, antwortete der Oheim.
    »Ich habe auch Gerlint beobachtet, wie es mir nur möglich war«, sagte die Tante.
    »Das ist,« sagte der Oheim, »es kommt zuweilen einmal vor, aber hier zweimal, es wäre, wie du sagst, merkwürdig.«
    »Das Herz des Menschen hat oft wunderbare Fügungen«, antwortete die Tante. »Und in unserm Geschlechte ist etwas Stätiges, so daß sich immer alles gleich bleibt, und fast alles sich wiederholt, was schon einmal gewesen ist; und doch ist es bei uns wieder ganz anders als bei andern. Hat nicht Dietwin, der Neffe des Kardinals, der bis in sein zweiunddreißigstes Jahr unvermählt blieb, sich, als er aus Italien zurückkehrte, mit seiner Tante vermählt, die damals gerade um zwei Jahre älter war als ich jetzt. Und es entsproßten dieser Ehe ein Sohn, der sich in den nachmaligen Kriegen so hervortat, und zwei Töchter, von denen die eine zwar als Kind starb, die andere aber ein so hohes Alter erreichte, daß an ihrem letzten Geburtstage, der so wie der unsere in den April fiel, sechsundvierzig Kinder, Enkel und Urenkel um sie versammelt waren.«
    »Sie gönnte in der Tat keinem aller jungen Männer einen Blick, und gegen Dietwin war sie beinahe noch mehr zurückhaltend als gegen die andern«, sagte der Oheim.
    »Und er wendete an Frauen und Mädchen fast nicht einmal die gewöhnliche Höflichkeit«, sprach die Tante.
    »Das muß übrigens viel genauer untersucht werden, liebe Gerlint«, sagte der Oheim.
    »Setzen wir die Beobachtungen fort, daß wir zu triftigerer Einsicht gelangen«, sprach die Tante.
    »Ich denke, Schwester Gerlint,« sagte der Oheim, »wenn wir etwas täten, das weniger Zeit in Anspruch nimmt«
    »Ja,« sprach die Tante, »und was könnte das sein?«
    »Ich meine,« sagte der Oheim, »du redest mit Dietwin von seiner einstigen Vermählung, und hörest, was er sagt, und ich tue das gleiche mit Gerlint.«
    »Das ist ein schwieriges Gespräch,« antwortete die Tante, »und alles kommt auf die Verfahrungsweise an.«
    »Aber wir könnten da einen tieferen Blick tun«, versetzte der Oheim. »Du, liebe Gerlint, wirst die rechte Verfahrungsweise schon finden, und ich werde bestrebt sein, nicht gar weit irre zu gehen.«
    »So versuchen wir es in Gottes Namen,« sagte die Tante, »und möge der Himmel seinen Segen geben.«
    »So spreche ich auch,« entgegnete der Oheim, »und möchte, daß das Ding vorüber wäre.«
    Nach diesen Worten stand er auf, und sagte: »Ich spreche jetzt von andern Angelegenheiten nichts mehr. Wenn eine Entscheidung nötig wird,
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