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Wer zweimal stirbt, ist laenger tot

Wer zweimal stirbt, ist laenger tot

Titel: Wer zweimal stirbt, ist laenger tot
Autoren: Mary Janice Davidson
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nie mehr.
    Zehn Jahre lang taten Giselle und ich so, als wäre die andere nicht da. Wir sahen uns nur zu den Mahlzeiten. (Ihren Mahlzeiten. Nicht meinen.) Und seit wir in der Villa wohnten, waren viele andere da, die mir nur zu gern meine Tierhalterpflichten abnahmen. Die Villa war so weitläufig, dass mein Schoßtier (allerdings empfand ich unsere Beziehung nie als so eng, und man hätte auch nicht behaupten können, dass ich ihr Schoßtier war: siehe oben) und ich uns tagelang aus dem Weg gehen konnten, was uns beiden ausgezeichnet in den Kram passte.
    Ich war zum ersten Mal gestorben, als ich versucht hatte, Giselle aus der Kälte in die Wohnung zu locken. Damals wütete ein Schneesturm, und ich achtete nicht auf meine Umgebung und wurde von einem Pontiac Aztek überrollt. Giselle kam natürlich ohne einen Kratzer davon. Sie war die Einzige, die meine Auferstehung langweilig fand.
    Und jetzt blickte ich auf ihren mageren Leichnam hinab und begriff, dass ich als ihre Besitzerin noch eine letzte Aufgabe zu erfüllen hatte. »Igitt.«
    »Ja.«
    »Haben wir Schaufeln im Schuppen?«
    »Mehrere.«
    »Ach? Tatsächlich?« Jetzt konnte ich mich nicht einmal mehr mit der Ausrede, nicht das richtige Werkzeug zu haben, aus der Affäre ziehen. Noch so ein toller Tag in einer beschissenen Woche! In einem beschissenen Monat, wenn man’s recht bedachte.
    Giselle, du unsensible Mistkatze, hättest du das nicht vor einem Monat erledigen können? Oder in einem Monat? Aber nein, es muss jetzt sein, da das Schicksal oder Karma schon dick genug aufträgt, Jessica ohne mich nicht zur Pediküre kommt und wir den Motor von einem unserer Smoothie-Mixer geschrottet haben. Typisch Katze: Macht sich gar keine Gedanken, ob mir ihr Tod vielleicht gerade ungelegen kommt. Andrew Vachss, einer der besten Autoren im Genre Noir, hat Katzen einmal als die »Schoßtänzer der Tierwelt« bezeichnet. Wenn du ihnen Aufmerksamkeit schenkst, sind sie da. Wenn nicht, machen sie die Biege.
    Tja. Giselle hatte definitiv die Biege gemacht.
    »Als Nächstes«, verkündete ich, »werde ich mir einen Hund zulegen.«
    Jessica schnaubte verächtlich. Sie wusste, dass das gelogen war. Sie kannte auch den Grund, war aber zu nett, mir das gerade in diesem Augenblick vorzuhalten. »Falls ich mich recht erinnere, hast du dir Giselle nicht zugelegt.«
    »Du erinnerst dich recht.« Ich beugte mich herab und hob die Katzenleiche vorsichtig auf, dann hielt ich sie mit ausgestreckten Armen wie eine Servierplatte vor mich. »Igittigitt.«
    »Kannst du dich vielleicht mal zusammenreißen? Wie viele Vampire hast du schon gesehen, die auf grässliche Art zu Tode gekommen sind? Von den getöteten Menschen erst gar nicht zu reden … auch wenn sie schlecht waren, sind sie doch hingemetzelt worden. Freunde sind vor deinen Augen erschossen worden oder haben sich in deinem Haus umgebracht, und du regst dich wegen einer Katze auf? Wegen dieser Katze? Hey, ich hab gerade einen Vampir kritisiert.« Aus irgendeinem Grund schien sie das zu erheitern. »Denn genau das hast du in letzter Zeit getan: Du hast dich ständig beschwert, wie schrecklich es ist, weiß und schön und reich und überdies mit dem schärfsten Mann von ganz Minnesota verheiratet zu sein. Okay«, lenkte sie ein, »Marc hat sich umgebracht. Darüber kannst du lamentieren.«
    Ich sah sie scharf an, beschloss jedoch, sie nicht die Treppe hinunterzustoßen. Sie bringt neues Leben hervor, sie bringt neues Leben hervor. Ach ja, und sie hat zu mir gehalten, als ich von den Toten wiederkehrte. Und bringt neues Leben hervor. »Kannst du mir ein altes Laken oder ’nen Kissenbezug oder so was holen?«
    »Klar.« Meine enorm schwangere Freundin bedachte mich mit einem nachdenklichen Blick. Da sie ein paar Stufen über mir stand, bekam ich es mit der Angst zu tun. Wenn sie stolperte, würde sie uns beide umbringen. »Das hier tut mir leid, Betsy. Und leidtut mir auch, wie ich mich eben benommen habe. Aber mein Rücken fühlt sich an, als presse jemand Hanteln darauf, und zwar glühende Hanteln. Das hebt nicht gerade die Laune. Und dann, weißt du …« Sie stieß einen derart heftigen Seufzer aus, dass ich schon glaubte, sie werde gleich wie Mary Poppins die Treppe emporschweben. »Diese vielen Leichen und so.«
    Ich wischte ihre Bedenken beiseite und zugleich meine Angst, von einer Schwangeren zu Tode gequetscht zu werden, während ich die Leiche meiner Katze im Arm hielt und mir über mangelnde Pediküre Sorgen machte. »War ja
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