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Wer zweimal stirbt, ist laenger tot

Wer zweimal stirbt, ist laenger tot

Titel: Wer zweimal stirbt, ist laenger tot
Autoren: Mary Janice Davidson
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Ein Wahnsinnsglück. Und es war mir nicht einmal bewusst. Wenn ich an Beerdigungen dachte, dann immer so oder so ähnlich: »Mensch, Tante Ginny hat Cousin Brian ständig runtergemacht, jetzt frag ich mich, was er wohl zu ihrer Beerdigung tragen wird?« Ich musste nie erleben, dass ein Mensch begraben wurde, den ich wirklich liebte. Na ja, abgesehen von Dad. Doch auf seiner Beerdigung war ich schwer angefressen und deshalb nicht ganz bei der Sache. (Wie sich später herausstellte, war eine böse Bibliothekarin hinter mir her, und zwar nicht wegen gesalzener Überziehungsgebühren. Außerdem spielte in dieser Geschichte ein Verlobungsring eine Rolle, der mit einem Fluch belegt war. Ein Albtraum, das alles. Einfach schrecklich.)
    Ich bin oft nicht bei der Sache, und wenn ich es zufällig doch einmal bin, richte ich meine Aufmerksamkeit auf die falschen Dinge. Typisches Beispiel: mein toter Freund Marc. (Und die Zukunft, aber darüber kann ich im Moment wirklich nicht nachdenken. Bitte nicht mehr als eine Seelenkrise auf einmal!)
    Einst, vor langer, langer Zeit – in meinem Kopf ist es eine lange Zeit, im wirklichen Leben jedoch keine fünf Jahre her – habe ich einem Mann den Selbstmord ausgeredet. Und vor nicht einmal einer Woche hat er sich umgebracht. Ich schäme mich, weil ich es nicht vorausgesehen habe. Wenn man weiß, dass jemand Tendenzen zum Freitod hat, könnte man doch Anzeichen bemerken? Er hatte es sich ja praktisch mit rotem Edding auf die Stirn geschrieben!
    Ich war übrigens nicht auf Marcs Beerdigung. Keiner von uns war da. In den Briefen, die er mir hinterließ, hat er es strikt verboten. Auch sein Tagebuch hat er mir hinterlassen. Worte, Worte, überall stieß ich auf seine Worte. Im Tod hat er mich mehr genervt als zu Lebzeiten … ganz schön listig, wenn man bedenkt, dass er auf der Nerv-Skala gleich hinter meiner Freundin Jessica kam. Okay, und vielleicht noch hinter Mom.
    Ich konnte es nicht ertragen, zu viel von ihm zu lesen. Ich brach in Tränen aus und sah furchtbar aus, und dann heulte ich noch mehr und brachte meinen Ehemann dazu, Mitleid mit mir zu haben, sodass wir es schließlich aus Mitleid machten. Es war toll, aber auch traurig.
    Und dennoch …
    Marcs Abschiedsworte klangen irgendwie so, als hätte er immer gewusst, dass er ein paar Jahre nach unserer ersten Begegnung sterben würde. Aber er schreibt nicht, warum er das wusste. Verbreitet sich nur in seinem Tagebuch und seinen Abschiedsbriefen darüber. Wer schreibt schon Abschiedsbriefe? Er hat mir sogar ein Abschieds-Drehbuch verfasst, der herzlose Mistkerl … denn er wusste ganz genau, dass ich nichts lese außer Vom Winde verweht und Pat Conroy. Er wusste, dass er vom Schicksal verdammt war, er hatte einen Plan, aber warum er es tat, hat er mir nie gesagt.
    Das fand ich doch ziemlich merkwürdig.
    Ich finde nie etwas merkwürdig. Es muss also an den Zeitreisen oder sogar an mir liegen. Ich will mich hier nicht selbst beweihräuchern, aber schließlich bin ich die Königin der Vampire. Einer meiner besten Freunde hat sich umgebracht, damit mein böses Ich aus der Zukunft ihn nicht in die furchtbare Marc-Kreatur verwandeln kann.
    Nun denn. Ich bin ziemlich sicher, dass es hier nicht nur um mich geht, doch ich spiele auf jeden Fall eine tragende Rolle.
    Also, Zeit, an die Arbeit zu gehen.
    Mach’s dir im Tod nicht zu gemütlich, Marc!
    Denn ich komme bald.

2
    »Was meinst du damit – sie ist tot?«
    »Betsy, ich hab fürchterlich viel um die Ohren, zum Beispiel, weil ich gerade ein neues Leben erschaffe. Könntest du also zur Abwechslung mal zuhören? Hast du nicht gesehen, wie sich meine Lippen bewegen?«
    Die bewegen sich doch andauernd, dachte ich, sagte es aber nicht laut. Jessica war es jetzt immer entweder zu kalt oder zu warm, sie war am Verhungern, abgesehen von den Zeiten, wo sie kotzte, oder schlimmer noch: Sie verhungerte, während sie kotzte (ich wollte lieber gar nicht darüber nachdenken, wie das nun gehen sollte). Sie war wütend, und sie war überschwänglich. Sie schwamm in Tränen oder in Zorn. Sie war genervt, und sie war giftig. Sie war meistens wütend, es sei denn, sie weinte, und am schlimmsten war es, wenn sie vor Wut weinte. Das war das Allerschlimmste. Selbst meine Vampir-Superkräfte kommen mit einem Weinkrampf nicht klar.
    Und auch diese Einschätzung traf den Kern der Sache noch nicht, denn gestern Nacht hatte ich sie zwei Stockwerke entfernt noch gehört. Wenn Jessica zufällig einmal nicht aß
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