Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer sich nicht wehrt...

Wer sich nicht wehrt...

Titel: Wer sich nicht wehrt...
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Kopf. Er zerdrückte die Zigarette im Aschenbecher und sah von unten herauf Carola an. Die Wahrheit zu sagen ist oft die schwerste Überwindung. »Damit muß man rechnen«, sagte er stockend. »Aber wir sollten alles versuchen, alles … Dieser Aufruf kann nur der Anfang sein. Und ich verspreche Ihnen, Carola: Mir fällt noch mehr ein als eine Zeitungsanzeige.«
    Sie nickte. Daß er gerade zum erstenmal Carola gesagt hatte, fiel ihm nicht auf …

2
    Wer Prof. Dr. Hans Sänfter kannte, war sich mit vielen einig, daß er ein freundlicher Mensch, ein großer Arzt und ein besessener Wissenschaftler war. Als Chef eines bekannten Krankenhauses für Innere Krankheiten und a.o. Professor an der Hochschule genoß er einen exzellenten Ruf, der sich sogar international ausbreitete: Seine Forschungsberichte über ›Neue Wege virenbedingter Infektionen‹ wurden weltweit gelesen, seine Lehrbücher über Innere Medizin gehörten zum Lesestoff aller Studenten und vieler Ärzte. ›Der Sänfter‹ nannte man ihn einfach … eigentlich die größte Ehre, die einem zuteil werden kann. Wie ›Die Garbo‹, ›Der Caruso‹, ›Der Picasso‹ war ›Der Sänfter‹, so betrachtet, ein Schritt zur Unsterblichkeit.
    Aber Ruhm hat oft zwei Seiten: die eine, die polierte, die allen sichtbare, die beneidete und beklatschte … und die andere private, häusliche, vor fremden Blicken verhangene und verborgene. Zwei Seiten, die oftmals voneinander sehr verschieden sind.
    Sänfter, fünfzig, hatte vor zwanzig Jahren eine zehn Jahre jüngere Frau geheiratet. Damals war er der jüngste Oberarzt der Universitätsklinik, schon umgeben von der Aura, einmal einer der ganz Großen zu werden. Regina Sänfter, als Tochter eines Fabrikanten für Motorventile vom ärztlichen Ethos wenig beeindruckt, genoß den internationalen Aufstieg ihres Mannes auf ihre Weise. Ihre Garderobe kaufte sie in Paris oder Rom, jedes zweite Jahr wechselte sie ihren Sportwagen, sie machte den Jagd- und Segelschein, erreichte beim Golf spiel das Handicap 14, spielte eine Zeitlang turnierreif Tennis und fuhr dreimal nach England zu einer Freundin, um besonders interessante Opernaufführungen in der Covent Garden zu besuchen. Zurück kam sie immer etwas bläßlich und abgespannt; die vielen Partys, auf denen sie herumgereicht wurde, waren anscheinend ein großer Streß.
    Was Sänfter nicht wußte und nie erfahren sollte: Jeder Englandbesuch diente seiner Frau dazu, sich in einer Spezialklinik einer Abtreibung zu unterziehen. Kinder waren für Regina eine Belastung, sie würden viele ihrer Aktivitäten behindern oder gar unmöglich machen, ihre Freiheit würde eingeschränkt. Und überhaupt war ein Mutterdasein durchaus kein Ideal für sie. Um alle weiteren Komplikationen zu vermeiden, ließ sie nach der dritten Saugkürettage sich eine beidseitige Tubenligatur anlegen, womit das Problem der unerwünschten Schwangerschaft für sie gelöst war.
    Prof. Sänfter, ahnungslos wie viele Ärzte, was den eigenen Lebensbereich betrifft, fand sich damit ab, daß Regina keine Kinder bekam. Daß Regina empört auf seinen Vorschlag reagierte, sich von einem namhaften gynäkologischen Kollegen untersuchen zu lassen, machte Sänfter nicht stutzig. Vielleicht liegt es auch an mir, dachte er ein paarmal, aber auch er scheute sich, einen Kollegen der Sexualmedizin zu befragen.
    Im Laufe der Jahre machte Regina Sänfter eine Wandlung durch. Zunächst war der kometenhafte Aufstieg ihres Mannes auch für sie so etwas wie ein Höhenrausch, verbunden mit einem gesellschaftlichen Leben, das von Bayreuth und Salzburg mit ihren Opernfestspielen bis zum Schwertfischangeln vor Floridas Küste reichte. Aber dann gewann die Erkenntnis fast aller Frauen erfolgreicher Männer in ihr die Oberhand: Ich bin nur ein mit Geschmeide behängtes und in Modellkleider gestecktes Ausstellungsstück eines Mannes, dessen ganzer Lebenskreis nicht ich bin, sondern sein Beruf. Die Klinik, die Kranken, die Forschung … Wenn er am späten Abend nach Hause kommt, ist er müde, einsilbig, einfach eine Figur, die sich in einen Sessel setzt und ihre Ruhe haben will. Das Leben außerhalb der Klinik fließt an ihm vorbei. Er wird nur munter, wenn er mit Kollegen diskutieren kann. Ich bin nicht mit einem Mann verheiratet, sondern mit Krankheiten.
    Regina Sänfter zog daraus lautlos, aber sichtbar die Konsequenzen. Sie rief nicht mehr im Krankenhaus an: »Wann kommst du nach Hause, Liebling?«, »Wie lange dauert es noch … wir haben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher