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Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps

Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps

Titel: Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Schatten ich das erste Mal geküsst hatte. Die Wiesentbrücke, wo ich meine Schulhefte jedes Jahr nach Schulschluss im Fluss versenkt hatte. Und noch ein paar andere, die privat bleiben, und wenn Sie sich auf den Kopf stellen!
    Ich fuhr los, steuerte die alte Karre mit viel Karacho über das Kopfsteinpflaster, und der Lärm übertönte meine Trauer. Wahrscheinlich würde ich nie mehr hierherkommen. Und wenn doch, dann in frühestens zehn Jahren. Ich würde durch die Gassen gehen, mit unsicherem Schritt, als suchten die Füße Halt auf dem unebenen Pflaster, ungläubig darüber staunend, dass ich hier einmal zu Hause gewesen war.
    Um nicht heulen zu müssen, zischte ich in halsbrecherischem Tempo auf die nächstbeste Ampel zu, schlitterte gerade noch bei Dunkelgelb durch, bog ab. Das brauche ich Ihnen alles gar nicht zu schildern? Na gut, dann machen wir da weiter, wo ich das Walberla  15 zu Gesicht bekam. Der Berg lehnte sich wie ein riesiger Sattel an den blauen Himmel. Ich wollte hinaufwandern.
    Ich steuerte durch Kirchehrenbach, das ist eines von diesen schmucken fränkischen Dörfern mit viel Fachwerk, schönen Höfen, Blumen und zauberhaften Vorgärten, aber eng, so eng! An der Kirche rammte ich beinahe einen Leichenwagen, wurde echt nervös und spürte, wie mein Mund nach dem Eis vor Zucker klebte. Ich parkte am Fuß des Berges und eilte den Wanderweg hinauf. Schnell. Es pressierte mir. Ich wollte da hoch, noch einmal in die Lande sehen. Und dann weiter, zum nächsten Punkt auf der Liste. Der Liste der Abschiede von Oberfranken.

    *

    Wäre ich nicht so durchgeknallt gewesen, hätte ich vermutlich mitgekriegt, dass mit der Engländerin etwas nicht stimmte. Sie hockte oben auf dem Bergsattel vor der Kapelle und hielt ein kleines Kruzifix in der Hand, das sie schnell in ihren Rucksack gleiten ließ, als ich um die Ecke bog.
    Â»Hallo!«, sagte ich.
    Â»Hi.«
    Die Kapelle war abgeschlossen. Ich wollte dort auch nicht beten, ich wollte nur ›Auf Wiedersehen‹ sagen. Gebetet hatte ich hier, kurz bevor meine Mutter an ihrem Magenkrebs gestorben war. An die Hilflosigkeit erinnert zu werden, tat weh, also legte ich nur kurz meine Hand an den Stein und ging dann weiter zu den Felsen, die das Bergplateau säumten.
    Â»Sorry?«
    So begann es. Sie tauchte hinter mir auf, eine rothaarige, sommersprossige, zarte Person, deren Tramperrucksack doppelt so groß war wie sie selbst. Fragte: »Do you speak English?« und erkundigte sich, wie sie von hier tiefer in die Fränkische Schweiz hineinkäme.
    Ich zeigte Richtung Osten und sagte: »Das alles ist die Fränkische Schweiz. Ziemlich groß, oder?«
    Sie blickte in das dichte Grün hinaus und nickte.
    Â»What’s your name?«
    Â»Fiona.«
    Da hatte ich plötzlich Lust, ihr alles zu zeigen. Es würde eine andere Abschiedsfahrt sein. Eine, von der noch jemand etwas hatte. Neues kennenlernte, während ich selbst auf jeden einzelnen Baum und Berg die Wörter ›letztes Mal‹ stempelte.
    Und so fuhren wir los. Wir wuchteten den Rucksack abwechselnd ins Tal, wahrscheinlich hatte sie Fossilien da drin, so viel Gepäck konnte man auf eine Tramperreise gar nicht mitschleppen.

    *

    An der nächsten Tanke befüllte ich den Kadett (zum letzten Mal), kaufte zwei Flaschen Cola und jene Tüte Nachos. Wie gerade die banalen Dinge alles kaputtmachen können! Es klingt abgedroschen, doch es ist ein Naturgesetz.
    Wir fuhren nach Buttenheim. Die Engländerin musste unbedingt das Jeansmuseum  16 sehen. Es war mein Lieblingsmuseum, ganz eindeutig, vielleicht, weil ich – außer an heißen Sommertagen – überzeugte Jeansträgerin bin. Und weil ich jetzt auch auswandere, wie jener Löb Strauss vor mehr als 100 Jahren. 1847. Wenn ich mich nicht täuschte.
    Im Museum war es kühl. Fiona bekam einen Audioguide in ihrer Muttersprache. Hätte ich mir was dabei denken sollen, dass sie immer wieder die Kopfhörer kurz abstreifte und sich umsah, zwischen den Ausstellungsstücken, den Seekisten, den Jeansmodellen, den Videoinstallationen? Natürlich nicht. Ich dachte, vielleicht sind ihr die Dinger auf den Ohren einfach unangenehm.
    Ein Museum ist ja nicht gerade geeignet, schwermütige Gefühle entstehen zu lassen. Und doch kam es dann so. Als wir rausgingen und ich die Fachwerkfassade noch einmal auf mich wirken ließ, das frische,
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