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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht
Autoren: Rebecca Ryman
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Geschäftswelt der Stadt. Hier herrschte wie in New York und Chicago (von dort hatte Vater ihr viel berichtet) eine mörderische Konkurrenz, besonders im Chinageschäft, wo eine Krähe der anderen bedenkenlos und ohne jedes Mitleid ein Auge aushackte. Es galt nur das uralte Gesetz des Dschungels: Fressen und gefressen werden!
    Von ihrem Onkel hatte sie viel über die mächtige Ostindien-Kompanie gelernt, das größte Handelsunternehmen der Welt und die Bastion englischen Unternehmertums. Aus Büchern in Sir Joshuas umfangreicher Bibliothek kannte sie den spektakulären Aufstieg des Unternehmens, das hier allgemein als »die John-Kompanie« bekannt war. Die Ostindien-Kompanie herrschte mit Genehmigung der Krone praktisch über Indien, oder den Teil Indiens, der nicht von den Fürsten regiert wurde. Dank einer eigenen Armee besaß sie eine ungeheure Macht und das Recht, nötigenfalls Krieg zu führen. Die John-Kompanie war 1599 von achtzig geschickten, nüchtern denkenden Geschäftsleuten gegründet worden und machte riesige Gewinne mit den unermeßlichen Reichtümern des Ostens: Gewürze, Seide, chinesischem Tee, Indigo, Jute, Baumwolle für die Spinnereien in Lancashire, Opium, Kampfer, Schellack, Parfüm und zahllosen anderen kommerziell lukrativen Waren. Das Hauen und Stechen im Geschäftsleben erinnerte Olivia an ihre Heimat, wo gewaltige Industrien wie Eisenbahnen, Stahlwerke, Kohlegruben und Minen entstanden, und wo die Konkurrenz in ständig neu entstehenden Bereichen ebenso ungezügelt und hart war wie auf den Märkten des englischen Empire.
    Olivias Interesse am Geschäftsleben Kalkuttas amüsierte Sir Joshua, bei ihrer Tante löste es nur noch größere Verärgerung aus. Nachdem die Männer im Arbeitszimmer gegessen hatten, stellte sie ihren Mann im Schlafzimmer zur Rede, als er heraufkam, um sich zu waschen. »Ich wünschte, du würdest das Mädchen in der törichten Beschäftigung mit solchen Dingen nicht noch ermutigen. Findest du nicht, daß ihre Ansichten auch so unmöglich genug sind?«
    Sir Joshua stand vor dem Spiegel, bürstete seinen Backenbart und brummte: »Die Kleine hat viel Verstand in ihrem Kopf. Soll sie ihn doch benutzen, wenn sie das will.«
    »Wenn sie so viel Verstand im Kopf hat, soll sie ihn benutzen, um einen anständigen englischen Ehemann zu finden!« erwiderte Lady Bridget. »Sie ist nur für ein Jahr hier, und sie wird nicht jünger. Was würdest du sagen, wenn deine Tochter mit beinahe drei undzwanzig noch nicht verheiratet wäre?«
    Sir Joshua hatte keine Meinung dazu und zuckte nur mit den Schultern. Er fuhr sich noch einmal über den Backenbart, verließ das Zimmer und hatte das Thema zweifellos bereits völlig vergessen. In der Kunst, seiner Frau ernsthaft zuzuhören, ohne auch nur ein Wort von dem aufzunehmen, was sie sagte, war Sir Joshua ein Meister.
    *
    Gegen zehn betrat Olivia, gefolgt von Rehman mit dem Kaffeetablett, Sir Joshuas Arbeitszimmer. Die beiden Männer hielten Cognacgläser in der Hand, und die Luft war schwer vom Rauch der Havannazigarren. »Ah, da bist du ja, Liebes.« Sir Joshua hob das Kinn und schnupperte. »Ich stimme Olivia allmählich zu, Arthur. Brasilianischer Kaffee hat sehr viel für sich.«
    Arthur Ransome, Sir Joshuas Teilhaber, erhob sich mit einiger Mühe und verbeugte sich. »Das stimmt. Könnte es sein, daß wir uns all die Jahre dem falschen Getränk verschrieben haben?«
    Die freundlichen Sticheleien gingen weiter, während sie genußvoll Kaffee tranken und Sir Joshua sie mit einem ausführlichen Bericht über die turbulenten Vorgänge am Morgen in der Handelskammer unterhielt. Dann machte Ransome eine Bemerkung, die Olivia entging, und Sir Joshua wurde ernst. »Ich habe keinen Spaß gemacht, Arthur. Ich finde, es ist ein Plan, der sich verwirklichen läßt, und harte Umstände verlangen hartes Durchgreifen. Dem wirst du doch wohl zustimmen?«
    Es war deutlich, daß sie den Faden eines früheren Gesprächs wieder aufnahmen. Ransome schüttelte den Kopf. »Hart ja, aber nicht selbstmörderisch! Jetzt überstürzt handeln, würde bedeuten, die Wirklichkeit aus dem Blick zu verlieren, Josh.«
    Olivia hörte aufmerksam zu, ohne die Hintergründe der Meinungsverschiedenheit zu kennen. Ransome war nicht nur der Geschäftspartner ihres Onkels, sondern auch sein engster und bester Freund. Und doch hätten die beiden Männer nicht verschiedener sein können. Sir Joshua war groß, schlaksig und übernahm mühelos die Führungsrolle, ganz gleich, wo
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