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Wer hustet da im Weihnachtsbaum? (German Edition)

Wer hustet da im Weihnachtsbaum? (German Edition)

Titel: Wer hustet da im Weihnachtsbaum? (German Edition)
Autoren: Sabine Ludwig
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entzückend?»
    «Entzückend, allerdings», sagte Papa. «Genau das Richtige für die nächste Weihnachtsfeier im Büro.»
    Mama hielt einen quietschrosa Regenschirm in der Hand. Rosa ist nicht gerade ihre Lieblingsfarbe.
    «Vielen Dank, Tante Traudl, einen Regenschirm kann man wirklich immer gebrauchen», sagte sie höflich.
    «Das hat Frau Putenkötter auch gemeint. Man verliert sie ja ständig.»
    Ich traute mich gar nicht, mein Geschenk auszupacken. Inzwischen wäre ich über selbstgestrickte Socken fast schon glücklich gewesen. Aber was zum Vorschein kam, war schlimmer, sehr viel schlimmer: ein lila Sweatshirt mit einem riesigen gelben Smiley auf der Brust.

    «In diesem Jahr hab ich keine Socken für dich gestrickt, mein Junge», sagte Tante Traudl. «Weißt du, mit meinen Augen schaffe ich das nicht mehr. Aber ich hoffe, ich habe damit deinen Geschmack getroffen.»
    «Ja … ja, vielen Dank, das ist wirklich sehr … sehr …», stotterte ich.
    «Nun, mein Geschmack ist es ja nicht, soll aber gerade modern sein. Den Tipp hab ich von Frau Putenkötter. Sie hat einen Sohn in deinem Alter.»
    Wer immer diese Frau Putenkötter war, ich hätte ihr am liebsten den Hals umgedreht. Ich sah genau, dass Mama sich nur mit Mühe das Lachen verkneifen konnte.
    «Wie alt ist denn der Sohn von dieser Frau Putenkötter?», fragte sie.
    «So acht oder neun. Er geht jedenfalls schon zur Schule.
    «Ich werde zwölf!», sagte ich.
    «Meine Güte, wie die Zeit vergeht», sagte Tante Traudl lachend und nippte an ihrem Sherry. «Eben warst du doch noch ein Baby, und was hast du immer geschrien! Oder war das Luzie? Nein, die hat immer gespuckt, nicht wahr?»
    Nun riss Luzie ihr Päckchen auf. Schlimmer konnte es eigentlich nicht mehr kommen, dachten wir …
    Außer einem «Oh!» konnte Luzie nichts sagen, und das kommt so gut wie nie vor.
    Ein pinkes Einhorn mit weißer Wallemähne, über und über mit silbernem Glimmer bestreut. Ich meine, Luzie hat ja wirklich einen grottenschlechten Geschmack, aber ein pinkes Einhorn verschlug selbst Luzie die Sprache.
    «Ich vermute mal, das war auch Frau Putenkötters Idee», sagte Mama.
    Tante Traudl sah uns an und zuckte entschuldigend mit den Schultern. «Ich war doch krank, und da war die Frau Putenkötter so nett und hat die Geschenke für euch besorgt.»
    «Und ich hab wieder nichts zum Betäuben», sagte Luzie enttäuscht.
    «Vielen Dank, Tante Traudl, aber wir freuen uns über deinen Besuch, auch ohne Geschenke», sagte Mama. «Und außerdem …»
    «… will Mama ja sowieso nur deine Kommode!», rief Luzie dazwischen.
    «Luzie!»
    «Kommode, welche Kommode?», fragte Tante Traudl. «Du meinst doch nicht etwa das alte Ding, das immer im Flur stand?»
    Mama schnappte nach Luft. «Stand?»

    «Da klemmte doch die oberste Schublade. Schrecklich unpraktisch, das Möbel.» Tante Traudl strahlte uns an. «Aber der Mann von der Frau Putenkötter war so nett und hat sie ausgetauscht.»
    «Ausgetauscht?!» , schrie Mama.
    «Ja, er hat mir stattdessen eine neue gebracht. Da klemmt jetzt nichts mehr.»
    Mama sah aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. Papa legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm.
    «Und was hat der Mann von Frau Putenkötter mit deiner Kommode gemacht?», fragte er. «Das war schließlich echtes Biedermeier und ziemlich wertvoll.»
    «Wertvoll? Die alte Kommode? Nein, nein. Da fehlte ja ein Fuß. Und sie hatte Holzwürmer. Das hat der Mann von Frau Putenkötter gleich gesehen und gemeint, die Kommode müsse raus aus der Wohnung, weil die Holzwürmer sonst in meine anderen Möbel gehen.»
    «Scheint ja ein Experte zu sein, dieser Herr Putenkötter», meinte Papa.
    «Wohl eher ein Verbrecher», sagte Mama leise.
    «Was hast du gesagt, mein Kind?», fragte Tante Traudl. Sie sah so verwirrt aus, dass sie mir fast leidtat.
    «Ich glaub, ich brauch jetzt auch einen Sherry», sagte Mama.
    «Ich glaub, du brauchst etwas Stärkeres», sagte Papa.

[zur Inhaltsübersicht]
    10. Kapitel
    Die Wahrheit kommt ans Kerzenlicht

    M ama trank dann etwas Stärkeres, aber wir bekamen nichts davon ab, dabei hatten Luzie und ich doch genauso einen Schock erlitten wie sie. Ich kannte Mama, sie würde das Sweatshirt bestimmt nicht wegwerfen, schließlich war es funkelnagelneu. Am Ende müsste ich es anziehen, beim Sport womöglich. Ich überlegte, was Mara wohl für ein Gesicht machen würde, wenn sie mich in dem Teil sah.
    Luzie versuchte inzwischen, dem pinken Einhorn mit dem Messer den
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