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Wer hustet da im Weihnachtsbaum? (German Edition)

Wer hustet da im Weihnachtsbaum? (German Edition)

Titel: Wer hustet da im Weihnachtsbaum? (German Edition)
Autoren: Sabine Ludwig
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Bauch aufzuschneiden. «Das kann man ja gar nicht operieren», sagte sie enttäuscht. «Das ist viel zu hart.»
    Mama hatte sich inzwischen ordentlich gestärkt und sah nur noch um die Nase herum etwas weiß aus.
    «Wenn ich gewusst hätte, dass dir an der Kommode gar nichts liegt, hätte ich dich doch längst gefragt, ob du sie mir schenkst», sagte sie zu Tante Traudl.
    «Und wenn ich gewusst hätte, dass ihr den Gänsebraten nur wegen mir macht, hätte ich doch auch längst gesagt, dass mir Gans überhaupt nicht mehr bekommt.»
    «Und alles nur, weil man aus falsch verstandener Höflichkeit nicht die Wahrheit sagen will», meinte Papa. «Ich hab ja auch nie zugegeben, dass deine Zigarillos immer im Müll, äh … ich meine, bei einem Kollegen landen, weil ich schon lange nicht mehr rauche.»
    «Das freut mich für dich, mein Junge.»
    «Und das Parfüm, das du Mama geschenkt hast, hab ich als Äther benutzt», sagte Luzie.
    «Äther?», fragte Tante Traudl erstaunt.
    «Ja, Mama hat gemeint, dass man damit jemanden betäuben kann, und da hab ich das immer für meine Operationen genommen.»
    Nun musste ich wohl auch die Wahrheit sagen. «Und die Socken, die du mir gestrickt hast, waren mir immer zu klein, aber Mama haben sie gepasst.»
    «Sie hat sie aber nur im Bett angezogen, weil sie da keiner gesehen hat», fügte Luzie hinzu.
    «Luzie, geh bitte in die Küche und hol das Dessert», sagte Mama schnell.
    Luzie verzog das Gesicht. «Immer ich!»
    «Was gibt’s denn?», fragte Tante Traudl.
    «Mousse au Chocolat», sagte Papa. «Darauf freue ich mich jetzt wirklich.»
    Schon war Luzie verschwunden.
    Und kam nicht mehr zurück.
    «Luzie? Luzie! Naschst du etwa?», rief Papa.
    Mama schickte mich in die Küche, um nachzuschauen, denn natürlich naschte Luzie. Sie tauchte nicht einen, nein, gleich zwei Finger in die Schüssel und lutschte sie genüsslich ab.
    «Verschwinde, ich trag die Schüssel», sagte ich.
    «Nein, ich. Mama hat gesagt, ich soll die Schokoladenmaus reinbringen.»
    «Aber sie hat nicht gesagt, dass du sie schon halb aufessen sollst. Außerdem ist da Schnaps drin.»
    «Du lügst!»
    «Tu ich nicht!»
    «Doch! Du lügst. Du hast gesagt, Bübchen kann sprechen, aber er spricht kein Wort. Ich hab ihn eben was gefragt, und er hat nicht geantwortet.»
    «Wenn er unter der Decke steckt, spricht er nicht, das hab ich dir doch gesagt. Und außerdem sollst du Bubi in Ruhe lassen, sonst …» Ich hob drohend die Hand.
    Luzie streckte mir die Zunge raus und lief aus der Küche.
    Papa rief: «Wo bleibt denn jetzt der Nachtisch?»
    Ich zog mit einer Gabel ein paar Linien über die Schokocreme, damit man nicht gleich sah, dass Luzie ihre Finger drin gehabt hatte, und brachte die Schüssel ins Wohnzimmer.
    «Hm, das sieht ja wirklich köstlich aus. Du bist wirklich eine großartige Köchin, Gabi», sagte Tante Traudl.
    Das konnte Papa natürlich nicht auf sich sitzenlassen. «Halt, halt, die Mousse hab ich gemacht. In dieser Familie bin ich für das Süße zuständig.»
    «Und ich für das Saure, oder was?», fragte Mama schnippisch.
    Und dann hörte ich es: Flattern wie von Flügeln und Piepsen wie von einem Vogel. Nein, nicht von einem – von meinem Vogel! Bübchen kreiste über dem Wohnzimmertisch, machte eine elegante Kurve um Tante Traudls Kopf, die entsetzt aufschrie, segelte an Mamas ausgestrecktem Arm vorbei, die nicht weniger entsetzt schrie, und legte eine perfekte Punktlandung hin – genau in der Mousse au Chocolat.
    «Raus aus meiner Schüssel!», rief Papa.

    Aber Bübchen dachte gar nicht daran, die Schüssel zu verlassen. Anscheinend mochte er nicht nur Petersilie, sondern auch Schokolade. Doch wie war er überhaupt hier reingekommen? Luzie! Das konnte nur Luzie gewesen sein.
    Die sah auch ziemlich bedröppelt aus.
    «Das hast du ja prima hingekriegt!», sagte ich, und sie fing an zu heulen.
    «Ich hab’s nicht mit Absicht gemacht, ich wollte doch nur, dass er mit mir spricht, und da hab ich das Türchen aufgemacht, und dann …»
    Mama hatte sich inzwischen wieder halbwegs beruhigt. «Wem gehört denn dieser Vogel, um Himmels willen?»
    Ich holte tief Luft. «Der Vogel gehört mir. Komm, Bübchen, komm her!»
    Als ob wir das wochenlang geübt hätten, flog Bubi hoch und landete mit seinen schokoladeverklebten Klauen auf meiner ausgestreckten Hand.
    «Was soll das heißen?», fragte Papa. «Seit wann hast du einen Vogel?»
    «Seit zwei Wochen.»
    «Und wo hattest du ihn die ganze Zeit
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