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Wer glaubt schon an Vampire? (German Edition)

Wer glaubt schon an Vampire? (German Edition)

Titel: Wer glaubt schon an Vampire? (German Edition)
Autoren: Sabine Berger
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gab es auch ein paar interessante Bibliotheken, die bis zum Abend geöffnet hatten.
    Der kleine, weißgelb gestrichene Waggon der Seilbahn brachte sie zum Aussichtspunkt San Pedro de Alcántara, wo sich Emmeline wie im siebenten Himmel wähnte. Der Ausblick war herrlich, das Flair ein Traum. Sie fühlte sich wie eine Touristin und musste sich regelrecht zwingen, die geplante Tour durch die Bibliotheken zu starten. Viel lieber wäre sie durch die Straßen flaniert, hätte die Menschen beobachtet und in einem der süßen Literatur-Cafés einen kleinen Happen gegessen.
    Aber das Leben war nun einmal voller Verpflichtungen und abgerungener Leistungen! Mit Freiheit oder etwas Urlaubsanspruch konnte sie bei ihrem exzentrischen Herrn nicht rechnen.
    „Vergnügen ist Gift für die Disziplin!“, pflegte er stets zu sagen, wenn er seine Enkelin zur Ordnung mahnte und sie seine Appelle an Disziplin, Verantwortung und Aufrichtigkeit hinnehmen musste. Schon in jungen Jahren hatte sie erkannt, dass Rebellion nur schlecht für ihre eigenen Nerven war. Außerdem fühlte sie sich ihm verpflichtet, weil er sie aufgenommen und großgezogen hatte. Und zu allem Übel kam noch hinzu, dass sie ihn wirklich mochte – nein, liebte! Ihn ... den sturen, alten Bock, der so schwer Herzlichkeit zeigen konnte und doch mehr Liebe bewiesen hatte als ihre Eltern, die an einem grauen, kalten Novembertag einfach aus ihrem Leben verschwunden waren.
    Verärgert wischte sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel und stapfte in die erste Bibliothek, die auf ihrer Liste stand. Die Erinnerung an ihre Eltern erfüllte sie selbst nach Jahren noch mit Zorn und dem Gefühl im Stich gelassen worden zu sein. Dabei hatten sie keine Schuld an dem Autounfall gehabt. Blitzeis hatte Emmeline die zwei wichtigsten Menschen in ihrem Leben genommen. Die Wut, die sie seitdem auf ihre Eltern hatte, war allemal besser, als der furchtbare Schmerz dahinter.
     
    Die Luft in der Bibliothek war abgestanden und erinnerte an altes Gestein und Moder. Die dunkle Inneneinrichtung schien über hundert Jahre alt zu sein und die Beleuchtung war schlecht. Emmi begann zu zweifeln, ob sie hier auch nur einen einzigen Satz lesen könnte. Personal war auch keines zu sehen.
    „May I help you?“, rief jemand plötzlich in perfekt britischem Englisch aus dem Hintergrund und Emmi wirbelte herum. Zuerst konnte sie in der Düsternis der dunkelroten Vorhänge niemanden erkennen, doch dann entdeckte sie zwischen den Falten des Stoffs einen kleinen alten Mann mit überdimensional großem Schädel und durchscheinender Haut. Sein spärliches Haar hatte er sorgsam in ein paar Strähnen über den Kopf gekämmt, seine Brille auf den untersten Rand seiner Nasenspitze gehängt. Mit strengen Augen betrachtete er die junge Besucherin. Durch seine Kopfform und den vielen Äderchen auf der Haut wirkte der Mann wie von einem anderen Stern. Lediglich die Brille schien real ... und mindestens so alt wie er.
    Überrascht, aber auch seltsam betreten, stand Emmi da und wusste nichts zu sagen. Das Aussehen des Mannes überrumpelte sie total und beschwor ein beklemmendes Gefühl, wie zuletzt bei der Taxifahrt mit Mr. Finster. Weil Emmi aber keinen Ton herausbrachte und nur dumm glotzte, zogen sich die Augenbrauen des Mannes unwirsch zusammen.
    „Hmmmm?“, brummte er ungeduldig und Emmi erwachte aus ihrer Erstarrung. Dornröschen wurde ja angeblich stets von einem schönen Prinzen wachgeküsst, aber bei Emmeline funktionierte das auch mit dem grantigen Brummen einer alten Schreckschraube.
    „Oh, ... äh, ... sorry! Hello and so. Do you speak German?”, fragte Emmi, weil sie zwar Englisch sprechen konnte, in ihrer Muttersprache aber doch versierter war – zumindest dann, wenn keine seltsamen Sprechblockaden ihre Zunge lähmten oder seltsame Formulierungen wie „Hallo und so“ auf Englisch rauspolterten.
    „Oh, Sie sind Deutsche! Na, dann ist ja alles klar“, grinste der alte Wicht und machte dabei eine Miene, als würde er eher etwas Anzügliches denken, als die Sprache beherrschen.
    „Nein. Ich komme aus Österreich, nicht aus Deutschland ... das ist aber so ähnlich.“
    „So ähnlich? Werte Dame, dann wissen Sie aber nicht allzu viel über Ihr Land, oder?“, belehrte der Alte sie unverschämt und machte Emmi erneut sprachlos. Was für eine Frechheit war das nun wieder? Seit sie in dieses Land gekommen war, schien es nur noch Idioten der Gattung Mann zu geben. Sie aber wollte keinen Ärger, sondern die
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