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Wenn Werwolf-Pranken streicheln

Wenn Werwolf-Pranken streicheln

Titel: Wenn Werwolf-Pranken streicheln
Autoren: Jason Dark
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Meine Eltern haben keine Zeit. Aber ich möchte, daß jemand lieb zu mir ist. Nicht wahr, ihr werdet es immer sein, auch wenn ich groß bin — oder?«
    Die beiden Werwölfe gaben Antwort. Sie stießen leise, wehklagende Laute aus, die sehr ungewöhnlich klangen. Jammernd, nicht schrill. Gleichzeitig lieb und zärtlich.
    Gwen genoß das Spiel. Manchmal flüsterte sie leise Worte. Sie sprach davon, wie lieb sie ihre Großeltern hatte und daß der Schutz nie aufhören möge.
    Die beiden Wölfe waren dafür. Es schien so, als hätten sie die gesprochenen Worte genau verstanden und wurden nicht müde, ihre »Enkelin« zu liebkosen.
    Was war in dieser Situation schon Zeit? Gwen dachte nicht daran. Am liebsten hätte sie die ganze Nacht bis zum Aufgang der Sonne hier gelegen und die Liebkosungen genossen.
    Aber das ging nicht…
    Sie öffnete die Augen erst wieder, als sie die streichelnden Pranken nicht mehr in ihrem Gesicht und auf ihren Armen spürte. Die beiden Bestien standen vor der Bank. Sie schauten aus ihren kalten Augen auf Gwen nieder.
    Für das Mädchen waren die Augen nicht grausam und kalt. Sie las darin etwas anderes.
    Eine wunderbare Wärme, sogar Liebe, die sie in ihrem jungen Leben bisher vermißt hatte. Ihre Eltern gaben ihr viel. Neue Kleider, Spielsachen, alles sehr teuer.
    Aber Liebe - oder Zeit?
    Nein, die bekam sie höchstens von Brenda Rattigan, dem Kindermädchen, das tagsüber kam. Ansonsten war sie ein einsames Kind. Viel zu einsam.
    Sie zogen sich zurück. Gemeinsam gingen sie, obwohl sie den Pavillon getrennt betreten hatten.
    Gwen blieb noch liegen. Mit einer müde wirkenden Bewegung hob sie den rechten Arm und winkte ihnen zum Abschied zu. »Bis zur nächsten Nacht«, flüsterte sie.
    Die beiden Werwölfe bewegten ihre Schädel, als hätten sie die Worte genau verstanden.
    »Und morgen früh habe ich etwas Wichtiges vor, meine Lieben«, flüsterte sie. »Ich werde euch davon berichten. Die Welt wird staunen, das kann ich euch jetzt schon sagen…«
    Sie hörten es nicht mehr, denn sie hatten das versteckt liegende Gebäude verlassen.
    Gwen blieb noch liegen. Das tat sie immer, wenn sie Besuch bekommen hatte. Sie dachte jedesmal darüber nach. Diesmal mit nicht sehr traurigen Gedanken, denn es lagen noch einige Nächte vor ihr, in denen sie Besuch bekommen würde.
    Sie waren immer da, um sie zu trösten, sie zu streicheln und ihr Schutz zu geben.
    Erst jetzt richtete sich Gwen Harper auf. Auf ihrem Gesicht lag noch immer der entspannte Ausdruck, der in einem leichten Lächeln mündete. Sie schaute auf den offenen Eingang und lauschte, aber die Schritte ihrer Besucher waren längst verklungen. Die beiden hatten sich dorthin zurückgezogen, wo sie niemand finden konnte.
    In ihre Welt…
    Gwen hatte sie einmal danach gefragt, aber keine Antwort bekommen. Obwohl beide nicht reden konnten, hätten sie ihr einen Hinweis oder einen Tip geben können, das aber wollten sie nicht. Gwen ging wie in Trance zurück. Der Weg war ihr vertraut. Sie hatte den Pflanzen und Büschen Namen gegeben. Oft genug, wenn sie allein im Garten spielte, redete sie mit ihnen. Es kam ihr vor, als würden sie besser antworten als ihre Eltern. Auch jetzt streichelte sie die langen Arme der Pflanzen, berührte Äste und Zweige und ließ Blätter durch ihr Gesicht gleiten. Die Leiter hatte sie schnell erreicht und auch rasch überwundert.
    Niemand hatte ihr Fehlen bemerkt. So ungesehen, wie sie ihr Zimmer verlassen hatte, betrat sie es auch wieder auf dem ungewöhnlichen Weg. Das Bett war kalt geworden. Sie legte sich hinein und zog die Decke hoch bis zum Kinn.
    Das Fenster ließ sie offen.
    Und der Wind wehte die Gardinen in das Zimmer, als wollte er Gwen damit von ihren Großeltern grüßen lassen.
    Die würden in der nächsten Nacht wieder erscheinen. Mit diesem Gedanken schlief Gwen Harper ein. Auf ihren Lippen lag ein seliges Lächeln…
    ***
    An diesem Tag hatte ich mir die Zeit genommen und war am Morgen zum Friseur gegangen. Natürlich hatte ich mit einer schnellen Abfertigung gerechnet, aber der Figaro war überlastet, sein Gehilfe hatte sich krank gemeldet, und so tänzelte der Meister von einem Platz zum anderen, damit er den Wünschen der Kunden gerecht werden konnte. Er entschuldigte sich bei mir mehrere Male. Ich winkte ab und nahm mir inzwischen die dritte Zeitschrift vor. Als ich sie ausgelesen hatte und zur vierten greifen wollte, stand der schwarzgelockte Figaro mit der schmalen, langen Nase und dem lustig
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