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Wenn nur dein Lächeln bleibt

Wenn nur dein Lächeln bleibt

Titel: Wenn nur dein Lächeln bleibt
Autoren: H Lind
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schauen Sie hier einfach mal vorbei, ja? Und halten einen Arzt von seiner Arbeit ab?«
    Die Stimme des jungen Arztes war unangenehm hoch.
    »Wir wollen wissen, was mit unserem Kind ist.« Bernd straffte die Schultern.
    »Name?!«
    »Hädicke.«
    Der Arzt zuckte kurz zusammen. Er schien etwas zu wissen, brachte sich jedoch schnell wieder unter Kontrolle.
    »Meine Schicht hat erst um sechs angefangen«, schnarrte er unbeteiligt.
    »Aber da liegen doch die Unterlagen …« Bernd machte einen forschen Schritt nach vorn. Auf einem der grauen Aktendeckel stand unser Name. »Hädicke.«
    »Aha«, sagte der Arzt unangenehm berührt. »Finger weg, ja?«
    »Bitte geben Sie uns Auskunft«, bettelte ich wie ein kleines Kind. »Wir wissen ja noch nicht einmal, ob unser Baby noch am Leben ist!«
    Der Arzt ließ sich dazu herab, in der Akte zu blättern. Betont langsam leckte er an seinem Zeigefinger, blätterte weiter und schien die Notizen seiner Kollegen nur mit Mühe entziffern zu können. Dann warf er die Akte lässig auf den Schreibtisch.
    »Obwohl es nicht zu meinen Pflichten gehört, hier Privatsprechstunden abzuhalten, wollen wir mal eine Ausnahme machen.«
    Mir lief das Blut die Schenkel herunter, aber der Arzt bot mir keinen Stuhl an. Mit schweißnassen Händen klammerte ich mich an Bernd.
    »Es ist ein Mädchen. Fünf Pfund und sechzehn Gramm, vierundvierzig Zentimeter …«
    Bernd und ich starrten uns überrascht an.
    »Anja!«, entfuhr es mir. Es war ein ungläubiger Aufschrei, ein fragender Jubel.
    »Das heißt … es lebt?!«
    »Ja, ja, das haben die Kollegen hingekriegt. Es lebt.« Der Arzt fuhr sich mit dem Bleistift über seine Stop pelfrisur. »Es war eine schwere Geburt, aber das wissen Sie ja selbst.«
    Er schaute mich halb mitleidig, halb spöttisch an. »Hat ja eine Zeit gedauert. Da hatte das Kind Sauerstoffprobleme. Auch das werden Sie ja wohl mitgekriegt haben.«
    »Ja«, stammelte ich, hin- und hergerissen zwi schen Schuldgefühlen und neu aufkeimender Hoffnung. Meine Knie zitterten, mein Mund war trocken. Ich musste mein Kind nicht … beerdigen? Ich würde es möglicherweise mit nach Hause nehmen dürfen?
    »Sie meinen, es ist so weit alles in Ordnung?«
    Das kam von Bernd, der versuchte ruhig zu bleiben.
    »Na ja, das ist ein dehnbarer Begriff. Aber für Sie als Laien können wir das mal so stehen lassen.«
    »Was heißt das? Gibt es also doch Schwierigkeiten?«, fragte Bernd.
    »Das wird schon!«, sagte der junge Arzt gönnerhaft. »Das Kind wird gerade stabilisiert, alle Werte werden gemessen, dann muss es sich erholen. Soweit ich weiß, liegt es in einem Wärmebettchen …«
    »Dürfen wir zu ihm?!«
    War ICH das? Hatte ich es gewagt, den Arzt zu unterbrechen?
    »Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?«, kam unwirsch die Antwort. »Ihr Mann dürfte längst nicht mehr hier sein!«
    »Bitte!«, flehte ich unter Tränen. Da ich kein Ta schentuch dabeihatte, wischte ich mir die Nase hilflos am fleckigen Bademantelärmel ab. »Bitte! Nur ausnahmsweise!«
    »Wir braten hier keine Extrawürste.«
    »Nur ein kurzer Blick. Nur eine Sekunde …«
    Wie auf Kommando flog die Tür auf, und zwei Schwestern starrten uns böse an. Natürlich. Wir waren abgehört worden.
    »Na, das darf doch wohl nicht wahr sein! Wen haben wir denn da?«
    »Die Vatistunde ist längst vorbei!«
    »Machen Sie, dass Sie rauskommen, junger Mann! Und Sie, junge Mutti, ab ins Bett!«
    »Aber … In diesem besonderen Fall …«
    »Hier GIBT es keinen besonderen Fall. Hier gelten für alle dieselben Regeln. Muttis ins Bett, Vatis nach Hause. So. Ab.«
    Die Schwester wies in Richtung Ausgang und stieß einen befehlenden Pfiff aus.
    Wir fühlten uns wie Kinder, die etwas angestellt hatten.
    Bernd wurde regelrecht von meiner Seite gerissen und hinaus auf den Gang gestoßen.
    »Ich liebe dich!«, rief Bernd mir im Davontaumeln zu. »Morgen komme ich wieder! Schlaf gut! Das wird schon, mein Schatz!«
    Ich zog fröstelnd den Bademantel enger und trollte mich in die andere Richtung. Auf meinem Zimmer lag ich die ganze Nacht wach. Mein armer Bernd. Wie es ihm jetzt wohl ging? Wir hätten einander jetzt so gebraucht! Juttas und Elkes Atemzüge ließen das winzige Fenster beschlagen.
    Ich hatte eine Tochter.
    Sie hieß Anja.
    Ich wusste nicht, wie sie aussah.
    Ich wusste nicht, ob sie gesund war.
    Ich wusste nicht, was werden würde.
    Es war die schrecklichste Nacht meines Lebens.

5
    »Hädicke?«
    »Ja, hier.«
    »Fünf Minuten.«
    Zack! Mir
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