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Wenn nur dein Lächeln bleibt

Wenn nur dein Lächeln bleibt

Titel: Wenn nur dein Lächeln bleibt
Autoren: H Lind
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dran!«
    »Bitte, helfen Sie mir!«
    »Stellen Sie sich nicht so an!«
    »Wann kommt denn ein Arzt? Bitte, ein Arzt?«
    »Der Arzt kommt, wenn es losgeht. Bei Ihnen geht es noch lange nicht los.«
    Jemand stieß aus Versehen an meine Pritsche, jede Erschütterung drohte mich schier zu zerreißen. Mein Baby wurde schwächer und schwächer, das fühlte ich. In einem ausgelaugten Mutterleib kann auch kein Baby mehr gedeihen. Ich musste, musste uns beide beschützen!
    » HILFE !« War ich das? Hatte ich gerade so gequält geschrien?
    »Also Sie STELLEN sich aber auch an! Schwester Ilse! Die Hädicke liegt hier schon den ganzen Tag auf dem Gang und jammert. Schauen Sie nach ihr!«
    »Später, ich muss erst in Kreißsaal drei …«
    Schritte.
    Türenknallen.
    Die Uhr. Tick.
    Durst. Meine Lippen waren schon aufgeplatzt.
    Ein Arzt. Seine Umrisse verschwammen vor meinen Augen. Bildete ich mir das nur ein, oder beugte er sich tatsächlich über mich? Zusammengekniffene Augen über dem Wehentropf. Blubb. Tropf. Tick. Die nächste Wehe. War es die hundertste? Oder die hunderttausendste? Dieser Schmerz. Dieses Stechen. So sehr ich mich auch nach einer erlösenden Ohnmacht sehnte – ich wusste, dass ich durchhalten musste. Meinem Kind zuliebe. Ich sah Sterne.
    »Die Hädicke macht schlapp!«
    »Schiebt sie mal ans Fenster. Die Luft hier ist aber auch zum Schneiden!«
    »Ein Kaiserschnitt!«, wimmerte ich.
    »Ah, die gnädige Frau wünscht eine Vollnarkose!« Hämisches Gelächter. Eine Hand riss das kleine vergitterte Fenster auf. »Wenn wir bei jeder Geburt, die ein bisschen länger dauert, einen Kaiserschnitt machen wollten …! Außerdem: Heute passt es GANZ schlecht. Heute ist hier wirklich Hochbetrieb. Wären Sie mal gestern zu Potte gekommen!«
    Niemand hatte Zeit für mich.
    »Bitte! Ich sterbe!«
    »So schnell stirbt es sich nicht.«
    »Es zerreißt mich! Das kann doch nicht normal sein!«
    »Stellen Sie sich nicht so an. Schmerzen bei der Geburt sind normal.«
    »Bitte! Ich brauche Hilfe!«
    »Jetzt nicht.«
    Dann wieder Schritte.
    Schichtwechsel.
    Schreie aus den drei Kreißsälen.
    Nur ich lag immer noch auf dem Flur. Mein Arm mit der Infusion hing schlaff aus dem Bett. Die nächste vorbeieilende Gestalt hielt ich am Kittelzipfel fest.
    »Bitte, bitte, helfen Sie mir! Ich kann nicht mehr!«
    »Jetzt passen Sie mal auf, Sie Nervensäge!« Meine Hand wurde beiseitegeschoben. »Wenn der nächste Kreißsaal frei wird, schieben wir Sie rein. Bis dahin möchte ich von Ihnen nichts mehr hören.«
    Ich verspürte den Drang zu pressen.
    Was hatte Jutta gesagt? »Melone scheißen.«
    Ja, genau so fühlte es sich an. Jetzt würde das Kind aus mir herausrutschen. Mitsamt meinen Eingewei den würde es jetzt aus mir hervorquellen. Aber es wür de nicht mit dem Kopf zuerst kommen. Mein Baby war jetzt wieder in Steißlage. Die Händchen und Füßchen schienen schon lange herauszuhängen. Doch der Kopf wurde von den furchtbaren Kontraktionen, die mich im Dreißigsekundentakt heimsuchten, schier zerquetscht.
    Plötzlich spürte ich ein Ruckeln: Man schob mich in den Kreißsaal. Überall Blutspritzer, Kot, Fruchtwasser. An den Wänden, auf den Bodenfliesen. Man hatte sich nicht mehr die Mühe gemacht, sie aufzuwischen. Ein Hörrohr glitt suchend über meinen prallen Bauch.
    »Ruhe jetzt!«
    »Ich höre nichts.«
    Nur das panische Brummen einer fetten Fliege, die sich hier hereinverirrt hatte, war zu vernehmen.
    »Keine Herztöne?«
    »Pssst!«
    Die Fliege nahm ihren Überlebenskampf wieder auf.
    Jetzt sah ich sie. Sie war in der beängstigenden Lampe gefangen, die man auf meinen Unterleib gerichtet hatte. Sie verschmorte an der Glühbirne. Es roch schon verkohlt.
    Vor lauter Panik war ich wie gelähmt. Mein Kind war tot.
    »Alle mal hierher zur Risikogeburt!«
    »Hädicke in Kreißsaal drei! Ein Notfall!«
    Mehrere Türen flogen auf, grüne und weiße Kittel wehten herein, ein ganzes Ärzteteam schien sich plötzlich für mich zu interessieren. Hände wurden noch im Laufen desinfiziert.
    Auf einmal hatten sie Zeit für mich. Auf einmal war ich wichtig.
    Aber es war zu spät.
    Waren es sechs Hände, Arme, Ellbogen oder acht, die da plötzlich auf meinen Bauch drückten?
    Wie viele Menschen zerrten da an meinen Beinen, spreizten und drückten sie in die kalten Eisenbügel?
    Die Fliege war verstummt. Ich hörte nur noch mein eigenes Röcheln. Der Schmerz war so unerträglich, dass ich mir die Lippen blutig biss.
    Jemand schob mir einen
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