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Wenn nur dein Lächeln bleibt

Wenn nur dein Lächeln bleibt

Titel: Wenn nur dein Lächeln bleibt
Autoren: H Lind
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nicht? Was soll das heißen?«
    »Mädchen oder Junge?«
    Ich starrte an die Decke.
    »Mensch, Jutta, det is nicht juht jejangn!«
    »Scheiße, ne Missjeburt!«
    »Oda isset tot?«
    »Halt doch die Klappe, Jutta! Lass se heulen!«
    Endlich konnte ich weinen. Eine Flut von Tränen quoll mir aus den Augen, strömte meine Wangen hinab und versickerte in dem groben Kopfkissen.
    Ein Übelkeit erregender Geruch drang mir in die Nase. Ich sah etwas Graues, Ekliges auf einem Teller.
    »Willste ne Frikadelle? Wir ham dir eine übrig gelassen.«
    »Mensch, Jutta, die will doch jetzt diesen Fraß nicht!«
    »Dat aber auch keiner wat erklärt, wa?!«
    »Keiner von den Herren Doktoren oder Schwestern bequemt sich mal hier rein. Lassen se die arme Angela hier total im Ungewissen!«
    »Die arme Frau hat sich zwei Tage lang gequält und weiß nicht mal, ob und was se geboren hat.«
    »Heult sich die Augen aus, das arme Ding. Wenigstens ne Beruhigungsspritze könnten sie ihr geben.«
    »Volkseigentum. Wird nicht verschwendet.«
    »Frechheit ist det.«
    »Mensch, Jutta, halt die KLAPPE ! Was, wenn hier einer mithört? Kann man nie wissen, ob hier drin nicht ne Wanze ist.«
    »Meiner Schwägerin ist das passiert. Die haben sie noch im Wöchnerinnenzimmer abgehört.«
    »Der ihr Mann war aber auch ein Parteigegner.«
    »Wat issen det da anner Decke?«
    »Ach, det ist bloß ne tote Fliege.«
    »Halt die Klappe, da kommt jemand!«
    Es klopfte. Leise und zaghaft.
    Das war nie und nimmer ein Arzt oder eine Schwes ter. Die rissen immer ohne anzuklopfen die Tür auf und bellten ihre Befehle.
    Als ich sah, wie rücksichtsvoll die Tür geöffnet wur de, schöpfte ich neue Hoffnung. Ein winziger Lichtstreif erschien am Horizont. Das Leben ging weiter. Ich war noch nicht tot. Es war Bernd.
    Er nahm mich einfach nur fest in die Arme und ließ mich weinen. An unseren Gesichtern sah er sofort, dass etwas nicht stimmte.
    Jutta und Elke versuchten sofort, sich unsichtbar zu machen. Sie drehten sich zur Wand und rührten so leise wie möglich in ihren Teebechern.
    »Pass auf, Liebes, du warst so tapfer. Ich bin stolz auf dich, egal was passiert ist. Wir gehen jetzt zum Arztzimmer und fragen, was los ist. Fühlst du dich in der Lage, aufzustehen?«
    »Ach, Bernd, mir war noch nie im Leben so elend …«
    »Komm, mein Herz. Ich stütze dich. Wir stehen das gemeinsam durch.«
    »Ich habe so entsetzliche Angst, Bernd. Was, wenn es tot ist?«
    »Wir müssen jetzt stark sein. Kannst du die Kraft aufbringen?«
    »Wenn du es schaffst …«
    Bernd hob mich vorsichtig aus dem Bett und stellte mich auf die Beine. Ich zitterte am ganzen Leib. Liebevoll legte er mir den alten Bademantel um die Schultern, den Mutti ihm mitgegeben hatte.
    »Komm. Ein Bein vor das andere.«
    »Ich blute.«
    »Das ist egal. Das wischen die auf.«
    »Ich schäme mich so.«
    »Das musst du nicht.«
    »Ich habe alles falsch gemacht …«
    »Blödsinn, du bist meine Frau, und ich liebe dich. Und jetzt schauen wir nach unserem Kind.«
    Noch ganz unsicher auf den Beinen, tappte ich am Arm meines Mannes über den inzwischen stockdunklen Flur. Nur eine Notlampe brannte. Die Vatistunde war längst vorüber. Bernd würde Ärger bekommen. Doch er hatte so etwas Entschlossenes im Blick. Er war stark. Allein seine Anwesenheit, sein vertrauter Duft ließen mich einen Schritt vor den anderen setzen.
    Mein Bauch war leer, ausgeleiert. Trotzdem fühlte ich mich nicht leicht. Ich schleppte mich mühsamer vorwärts als noch während der Schwangerschaft.
    Das Arztzimmer lag am Ende des langen dunklen Ganges.
    Unsere Schritte hallten auf dem Linoleumfußboden wider. Es roch nach billigem Bohnerwachs.
    Vor dem Arztzimmer blieben wir stehen. Mein Herz raste.
    Bernd nahm mein Gesicht in seine Hände und zwang mich, ihm in die Augen zu sehen.
    »Egal, was kommt«, sagte er heiser. »Ich liebe dich, und wir stehen das zusammen durch.«
    »In Ordnung.«
    »Bist du bereit?«
    Ich nickte stumm.
    Bernd klopfte.
    In einer muffigen, fensterlosen Stube, von deren Wand natürlich Genosse Honecker lächelte, saß ein junger blasser Arzt an seinem Schreibtisch. Vor ihm türmten sich Akten und Unterlagen, in denen er gerade blätterte. Er war sehr überrascht, dass es jemand wagte, in sein Reich vorzudringen.
    »Detlev Brüseke, Arzt in Ausbildung« stand auf dem Schild an seinem Kittel.
    »Was wollen Sie denn hier?«
    »Meine Frau hat heute ein Kind geboren.«
    Der Arzt zog fragend eine Augenbraue hoch.
    »Und deshalb
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