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Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers

Titel: Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers
Autoren: Lutz Schumacher
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sicher, dass diese Leute (aber sind das überhaupt Menschen?) eine Armada von Behinderungsfahrzeugen steuern, die sich zu gegebener Zeit in den Straßenverkehr einreihen. Das geht jeden Morgen los, wenn
er in seinem Stadtviertel das Haus verlässt, um die nächste Dienstreise anzutreten. »Achtung, er kommt«, blinkt es dann durch die Zentrale. Zwei graugesichtige Typen mit schiefen Zähnen und diabolischem Grinsen schauen jetzt auf ihr Display.
    »Grützner fährt los«, meint der eine.
    »Ich sehe es, Chef, ich sehe es...«, kichert der (bucklige) Zweite. »Bin schon dran, hehehe...«
    Harald fühlt sich in seinem Viertel eigentlich sehr wohl. Da gibt es wundervoll restaurierte alte Häuser aus der Gründerzeit, kleine begrünte Flächen, alte Bäume und lauter nette Kneipen – leider aber auch: wenig Parkplätze, enge Gassen und vor allem Einbahnstraßen. Harald muss, um das Viertel verlassen zu können und zur Autobahn zu kommen, eine geradezu abenteuerliche Wegstrecke durch das Viertel fahren. Er hat schon mehrmals erwogen, abends an der Schnellstraße zu parken und morgens einfach zu Fuß dorthin zu laufen, aber dann müsste er seinen schweren Musterkoffer und den Trolley für die meist zwei- bis dreitägige Dienstreise, dazu noch die Hemden- und die Laptoptasche zwei Kilometer weit tragen. Dann lieber das Hindernisrennen.
    »Chef, er biegt in die Kusebertstraße ein«, wiehert der Bucklige. »Müllwagen starten«, befiehlt der Erste im fahlen, von unten aufleuchtenden Licht der Schaltzentrale. Aus einer Hofeinfahrt biegt ein blaues Müllauto in die kaum passierbare Einbahnstraße. Harald flucht zum ersten Mal an diesem sonnigen Morgen. Er ist- wie immer- knapp dran. Ein langhaariger Lümmel mit einer Zigarette im Mund starrt ihn abschätzend an, während er lustlos eine Papiertonne zwischen zwei Wagen auf die Fahrbahn zerrt, wobei
er noch einen der Außenspiegel umknickt. Haralds Adrenalinspiegel steigt. In Zeitlupe setzt der ungepflegte Bursche die Tonne an die Halterung des Fahrzeugs, betätigt dann einen Knopf und wartet gleichgültig, bis sich die Tonne im Wageninneren entleert hat. »Wiederholen!«, befiehlt der Chef am fahlen Computerdisplay. Harald hat gerade wieder in den Fahrbetrieb geschaltet, da schaut der langhaarige Müllmann in die Tonne, stellt fest, dass sie nicht leer ist, rastet sie wieder ein und drückt ein weiteres Mal gelangweilt den Knopf.
     
    »Der Grützner kocht schon vor Wut«, kichert der Operator voll Schadenfreude. »Soll ich noch mal...?«
    »Ach, nun machen Sie mal was anderes, wir haben doch noch so viel im Arsenal«, verlangt sein Vorgesetzter ungeduldig. »Das kleine Reinigungsfahrzeug zum Beispiel, bei dem sich immer der Drahtbesen an der Straßenlaterne verhakt, die Frau mit dem Kinderwagen und den beiden Hunden, die unvermutet auf die Fahrbahn laufen, der kleine Junge, der auf der Straße Radfahren übt, die Fahrschule...« Beide Männer lachen laut und hässlich los. »Ja, Chef, die ist wirklich herrlich!«, brüllt der Bucklige schenkelklatschend. »Heute mal rückwärts einparken üben? Was meinen Sie?«
    So oder so ähnlich muss das einfach ablaufen, ist sich Harald sicher, wenn er schließlich doch noch den Stadtteil verlässt, dann mit wieder halbwegs versöhnlicher Laune auf die Autobahn einbiegt und sich auf die nächste ungewisse Reise mit ihren Staus, schlechten Raststätten und nicht vorhandenen Parkplätzen am Zielort begibt. Anders jedenfalls
kann er sich nicht erklären, wie es schon morgens zu dieser eigentlich unfassbaren Häufung absurder Zwischenfälle kommt.
    Oder nehmen Sie einmal diesen Montagmorgen im Mai, an welchem Harald zu einem eiligen Termin in Bremen aufbrach. Er parkte rechts in dem sehr engen Elsbethweg, an dem seineWohnung lag. Hier einen Parkplatz zu finden, war schon ein sehr großes Glück. Harald setzte den Blinker und schaute in den Rückspiegel. Gerade fuhr ein grüner Dacia an ihm vorbei. Der Fahrer entdeckte Haralds Absicht, hielt abrupt an und blinkte rechts. Harald schaute auf das weiße Rücklicht. »Wie soll ich denn da vorbeikommen?«, schüttelte er den Kopf und blickte über seine Schulter. Gut, dann würde er eben rückwärts ausparken und ein Stück zurücksetzen, den guten Mann einparken lassen und dann weiterfahren.
    In diesem Moment erschien hinter ihm ein weißer Seat und fuhr bis fast an Haralds Wagen heran. Der grauhaarige Fahrer setzte ebenfalls den Blinker nach rechts. Harald bedeutete dem Mann mit Winkbewegungen,
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