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Wenn Ich Bleibe

Titel: Wenn Ich Bleibe
Autoren: Gayle Forman
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leise. »Aber ich bin immer noch hier. Und ich bin immer noch verrückt nach dir.«
    »Und ich nach dir«, sagte ich. Und dann hörten wir auf zu reden, während Adam eine mir unbekannte Melodie spielte. Ich fragte ihn, was das sei.

    »Ich nenne es den ›Die-große-Liebe-geht-nach-Juilliard-und-bricht-mir-mein-Punkherz-entzwei-Blues‹«, sagte er und sang mir den Titel in einer übertrieben nasalen und zitternden Stimme vor. Dann lächelte er dieses schiefe, scheue Lächeln, das aus seinem tiefsten Inneren kam. »Ich mache nur Spaß.«
    »Gut«, sagte ich.
    »Jedenfalls ein bisschen.«

5.42 Uhr
    Adam ist weg. Er rannte plötzlich nach draußen und rief Schwester Ramirez zu, dass er etwas Wichtiges vergessen hätte und so bald wie möglich wiederkommen würde. Er war schon zur Tür hinaus, als sie ihm nachrief, dass sie gleich nach Hause gehen würde. Sie ist gerade gegangen, aber nicht, ohne die Schwester, die den mürrischen Oberbesen abgelöst hat, darüber zu informieren, dass »der junge Mann mit den engen Hosen und den verstrubbelten Haaren« zu mir gelassen werden dürfe.
    Nicht dass es eine Rolle gespielt hätte. Willow hat die Leitung hier übernommen. Den ganzen Morgen lang hat sie ihre Truppen aufmarschieren lassen. Nach meiner Großmutter, Gramps und Adam kam Tante Patricia vorbei. Dann Tante Diane und Onkel Greg. Als Nächstes meine Cousins. Willow rennt hin und her, und in ihren Augen steht ein merkwürdiges Leuchten. Sie hat etwas ausgeheckt, aber ob sie beabsichtigt, mir meine Familie vor Augen zu führen, um mich zu ermutigen, meine irdische Existenz fortzusetzen, oder ob sie ihnen Gelegenheit geben will, Abschied zu nehmen, weiß ich nicht.

    Jetzt ist Kim an der Reihe. Die arme Kim. Sie sieht aus, als ob sie auf einer Müllkippe übernachtet hätte. Ihr Haar hat offensichtlich eine ausgewachsene Revolution angezettelt, denn es haben sich mehr Strähnen aus ihrem Zopf gelöst als noch darin sind. Sie trägt einen von diesen »Scheiß-Sweatern«, wie sie es nennt, diese unförmigen grünlichen, gräulichen, bräunlichen Fetzen, die ihre Mutter immer für sie kauft. Erst schaut mich Kim durch zusammengekniffene Augen an, als ob ich in einem blendend hellen Licht liegen würde. Aber dann ist es so, als würde sie sich an die Beleuchtung gewöhnen. Obwohl ich wie ein Zombie aussehe, obwohl in jeder Körperöffnung Schläuche und Kabel stecken, obwohl meine dünne Bettdecke dort, wo sie über den Verbänden liegt, blutbefleckt ist, sieht sie, dass ich immer noch Mia bin, und sie ist immer noch Kim. Und was tun Mia und Kim lieber als alles andere? Reden.
    Kim macht es sich auf dem Stuhl neben meinem Bett gemütlich. »Wie geht’s dir?«, fragt sie.
    Ich bin nicht sicher. Ich bin müde, aber gleichzeitig hat Adams Besuch etwas in mir ausgelöst. Erregung … Angst … Ich weiß es nicht. Jedenfalls bin ich wach. Hellwach. Obwohl ich seine Berührung nicht fühlen konnte, hat mich seine Gegenwart aufgewühlt. Ich fing gerade an, Dankbarkeit für seine Anwesenheit zu spüren, als er wie aus der Pistole geschossen davonraste, als ob der Teufel hinter ihm her wäre. Adam hat zehn Stunden lang versucht, zu mir zu gelangen, und jetzt, da
er es endlich geschafft hatte, verschwand er schon nach zehn Minuten wieder. Vielleicht habe ich ihm Angst gemacht. Immerhin habe ich mich auch den ganzen Tag nach ihm gesehnt, und als er dann zur Tür hereinkam, wäre ich am liebsten weggerannt, hätte es getan, wenn ich die Kraft dazu gehabt hätte.
    »Du kannst dir nicht vorstellen, was für eine verrückte Nacht ich hinter mir habe«, sagt Kim. Dann fängt sie an zu erzählen. Über die hysterischen Anfälle ihrer Mutter, die sich vor meinen versammelten Verwandten hat gehen lassen, die die ganze Sache sehr gefasst aufgenommen haben. Über den Streit, den sie am Roseland Theater vor den Augen und Ohren einer Menge Punks und Hipster mit ihrer Mutter hatte. Kim schrie ihre heulende Mutter an, sie solle »sich zusammenreißen und sich wie ein erwachsener Mensch benehmen«. Dann marschierte sie in den Klub und ließ eine schockierte Mrs Schein auf dem Bürgersteig stehen, während die Jugendlichen mit den Nietenjacken und den neonfarbenen Haaren johlten und Kim anfeuerten. Sie erzählt mir von Adam, von seiner Entschlossenheit, mich zu sehen, wie er seine Freunde aus der Musikszene mobilisierte, nachdem man ihn auf der Intensivstation abgewiesen hatte. Freunde, die ganz anders waren als die Szene-Snobs, für die Kim sie
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