Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn es dunkel wird im Märchenwald ...: Die zertanzten Schuhe

Wenn es dunkel wird im Märchenwald ...: Die zertanzten Schuhe

Titel: Wenn es dunkel wird im Märchenwald ...: Die zertanzten Schuhe
Autoren: Kira Maeda
Vom Netzwerk:
Frau zog. „Jeden Abend kleide ich sie neu und am Morgen sind die Schuhe durchtanzt. Sie verschwinden und lassen mich zurück.“
    „Und du folgst ihnen nie?“
    „Ich kann nicht!“ Allein, diese Tatsache auszusprechen, trieb dem alten Mann den Geifer in die Mundwinkel. „Sobald es Mitternacht schlägt, schlafe ich ein und kein Mittel hat geholfen. Die Adligen und Ritter, die an meiner statt wach bleiben sollten, starben. Alle starben. Keiner ist geblieben – ich habe alle verloren.“
    Marek sah zu der brünetten Tochter. Ihr Gesicht zierte ein unschuldiger Frieden, der Mareks Verlangen weckte. Er wollte bei ihr liegen und das erste sein, das sie sah, wenn sie jemals aus diesem Schlaf erwachen würde. Er wollte, dass sie neben ihm einschlief. „Lass mich heute Nacht hier wachen.“
    Der Alte kniff die Augen zusammen und umrundete Marek. „Ich hatte eigentlich erwartet, dass du bereits heute tot bist.“
    „Das sagtest du bereits, Alter.“
    Der Mann lachte meckernd. „Allein für deine Frechheit sollte ich dich in den Spiegelsaal sperren! Aber dass du noch lebst, spricht für dich.“ Er legte den Kopf schief. „Und was willst du für deinen Dienst?“
    „Sie.“ Marek antwortete, ohne zu zögern und deutete auf die brünette Frau.
    „Iza? Meine Iza?!“ Der alte Mann schüttelte heftig den Kopf. „Sie ist meine jüngste Tochter, mein Augapfel.“
    „Sie ist mein Preis“, erwiderte Marek ruhig und ließ seine Augen nicht von der jüngsten Tochter des Königs.
    Der Alte schien angesichts Mareks ruhiger Hartnäckigkeit mit sich zu hadern und seine Augen wanderten hin und her, als würde er sich die Vor- und Nachteile dieses Handels durch den Kopf gehen lassen. Schlussendlich nickte er. „Gut, du kannst sie haben. Aber nur, wenn du dafür diesen Fluch aufhebst und mir alle meine Töchter zurück in dieses Leben holst!“
    Marek zuckte mit den Schultern. Er war ein Söldner – er ging selten nur den halben Weg. „Morgen früh hast du deine Töchter wieder. Und ich meinen Preis.“
     
    Den Tag verbrachte Marek damit, seine Waffen zu schärfen und das Schloss zu erkunden. Es besaß drei Etagen, wobei alle Wege immer wieder zum Spiegelsaal zu führen schienen. Marek hatte anfangs gar nicht bemerkt, dass über den obersten Spiegeln noch eine Balustrade angebracht war, auf der eventuelle Gäste das Treiben im Spiegelsaal von oben betrachten konnten.
    Direkt darüber erhob sich die Decke, deren Wölbung ebenfalls vollkommen mit Spiegeln ausgelegt war. Anders jedoch als die gerahmten Spiegel waren diese nahtlos ineinandergefügt und von Zeit und Alter geschwärzt. Man konnte nur grobe Schatten sehen, die sich darin verbargen.
    Die restlichen Räume des Schlosses machten einen ebenso verwilderten und heruntergekommenen Eindruck wie die Außenfassade. Niemand kümmerte sich darum und es schien, als sei dieses Gemäuer und all seine Bewohner einfach in Vergessenheit geraten.
    Kurz bevor die Sonne unterging, stieg Marek über eine lange, gewundene Treppe auf die Zinnen des Schlosses. Unter sich sah er nichts als Wald. Die letzten Sonnenstrahlen, die sich durch die Wolken drängten, verliehen der Szenerie etwas Totes, obwohl die Kronen unter ihm Blätter trugen. In der Ferne wagten sich einige Schornsteine über die Wipfel hervor. Sicher das Grenzdorf, das Marek am Vorabend hatte erreichen wollen. Er runzelte die Stirn. Rauch kräuselte sich in einer dichten Spirale über dem Dorf, aber er kam nicht aus den Schornsteinen.
    „Sie verbrennen den Toten“, murmelte der Alte. Wie aus dem Nichts war er neben Marek erschienen und sah an ihm vorbei zum Dorf.
    „Eine Beerdigung?“, fragte er nach, nachdem er sich von seinem Schreck erholt hatte.
    Der Alte lachte schnarrend. „Sie verbrennen sein Fleisch, damit es keine Bestien anlockt.“ Bevor Marek fragen konnte, was er damit meinte, war der Alte schon wieder verschwunden. Nur sein Lachen klang noch in Mareks Ohren nach.
     
    Die Nacht verbrachte Marek wieder vor dem Kamin. Er legte sich unter die Decke und tat, als würde er schlafen, aber in Wirklichkeit blieb er hellwach und lauschte aufmerksam auf jedes noch so kleine Geräusch. Anfangs waren da nur das Knacken des Holzes im Gebälk und die Schreie der Käuzchen im Wald. Er kämpfte gegen den Schlaf, aber je weiter die Nacht fortschritt, desto schwieriger wurde es.
    Irgendwann hörte er ein leises Klingeln und eine Frau lachte. Nicht sehr laut, aber Marek hörte es eindeutig. Er schob so leise wie möglich die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher