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Wenn Eltern es zu gut meinen

Titel: Wenn Eltern es zu gut meinen
Autoren: Polly Young-Eisendrath
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auf meine geografische Umgebung gab mir einige einzigartige Einsichten in die Selbstwertfalle. Vielen anderen Büchern, die ich zur Vorbereitung auf das vorliegende Buch gelesen hatte, lagen Recherchen in Städten oder Ballungsgebieten zu grunde, in denen Eltern und Kinder zu den Besten gehören wollen, was materielle Belohnungen und andere äußere Erfolgskennzeichen angeht (wie etwa Kinder in den elitärsten Schulen unterzubringen, angefangen von der Vorschule bis hin zu Harvard).
    Vermont unterscheidet sich in einigen signifikanten Punkten von städtischen Regionen. Viele, die (wie ich)
aus Ballungsgebieten abgewandert sind, haben sich in Vermont niedergelassen, weil sie ihr Leben verein fachen, der Natur näher kommen und sich nicht länger zwingen lassen wollten, nach den materialistischen Werten zu leben, von denen es in amerikanischen Städten und Vororten wimmelt. Viele Paare ließen sich hier in den 1970ern und 1980ern nieder, um ihre Kinder in einem Umfeld aufzuziehen, das ihre Unschuld schützen und humanistische Werte stärken sollte. Aber sosehr ich die Kultur meines Wahlbundesstaates auch liebe und schätze (ich lebe seit zwölf Jahren hier), habe ich sogar hier eine Art Besonderheit festgestellt: einen Perfektionismus in puncto Essen, Sport und Kreativität im Familienleben, der in die Falle führen kann zu glauben, man habe das Leben voll im Griff und könne alles »einfach richtig« machen. Perfektionismus ist ein Zustand, in dem unsere Ideale uns daran hindern, realistisch, flexibel und bescheiden zu sein. Beispielsweise herrschte in Vermont von den 1970ern bis in die 1990er-Jahre hinein die ziemlich weit verbreitete Anschauung, dass Kinder an sich vollständige Individuen seien, die bloß die richtige Ernährung, Unterstützung und Freiheit brauchten, um sich zu dem besonderen Selbst zu entfalten, das in ihnen von Geburt an angelegt war. Auch diese Denkweise kann Schwierigkeiten mit dem Besonderssein heraufbeschwören.
    Als ich dieses Buches schrieb, habe ich mit verschie densten Menschen von unterschiedlicher Herkunft, Geschlechts-, Rassen- und Alterszugehörigkeit gesprochen. Die Selbstwertfalle drückt sich in vielen Formen und Stimmen aus. Ich bin sicher, Sie werden auf diesen Seiten auf eine Stimme stoßen, mit der Sie etwas anfangen können, ganz gleich, wie alt Sie sind oder wo
Sie leben. Und wenn Sie mir Ihre eigenen Gedanken und Fragen zur Selbstwertfalle mitteilen möchten, besuchen Sie bitte meine Webseite unter www.young-eisendrath.com und lassen Sie mich wissen, was Sie denken.

Eine neue Mitte finden
    Ein gewisses Maß an Egoismus und Selbstbezogenheit sind notwendig, um unser Leben auf Kurs zu halten, ganz gleich, wie alt wir sind. Aber das Gefühl, in Scham, Beängstigung, Druck oder Konkurrenz festzustecken (und sei es auch nur gedanklich), ist ein Königsweg zum Elend. Wenn wir uns Sorgen um uns machen, wenn wir uns blamiert oder unvollkommen fühlen, fällt es uns schwer, uns zu entspannen, und noch schwerer, uns selbst so zu akzeptieren, wie wir sind. Die normalen Freuden und Genüsse des Lebens entgehen uns, und wir haben möglicherweise das Gefühl, um etwas Grundlegendes gebracht zu werden, selbst wenn unser Leben seinen Gang geht und wir alle Bequemlichkeiten haben, die wir brauchen. Das Prob lem mit der Besonderheit ist, dass sie uns häufig in eine negative Selbsteinschätzung abgleiten lässt.
    Eltern und Kindern wurde etwas anderes vermittelt: nämlich dass besonders sein und sich besonders fühlen Glück und Selbstwert zur Folge haben. Auf ebenso bezeichnende wie traurige Weise hat es leider fast die gegenteilige Wirkung. Auf diesen Seiten bitte ich uns alle, eine Bestandsaufnahme von dem zu machen, was wir in Bezug auf uns und andere fühlen, und eine neue Art von Selbstvertrauen und Mitgefühl mit uns zu finden.
Auf unserem gemeinsamen Menschsein und unserer Interdependenz gründend, ist es etwas, was wir »normal sein« nennen könnten. Wenn wir heranwachsen und uns entwickeln, kommen wir allmählich zu der Erkenntnis, dass unser Leben nicht einfach nur uns gehört, damit wir damit tun und lassen, was uns gefällt. Im Laufe unseres ganzen Lebens und besonders in der Kindheit werden wir von unzähligen anderen Menschen unterstützt und versorgt. Menschen und anderen Wesen die Geschenke zurückzugeben, die uns gegeben wurden, ist der gerade Weg zu Glück und Selbstachtung. Es könnte instinktwidrig oder verwirrend erscheinen, Normalität für ein erstrebenswertes Ziel
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